Durch Zufall bekam ich die Möglichkeit, einen Tag auf der Alp Scherpfenberg in der Gemeinde Interlaken im Kanton Bern zu verbringen. Ausgerüstet mit Gummistiefeln und warmer Kleidung ging es frühmorgens auf mehr als 1200 Meter Höhe über den Meeresspiegel. In meinem Rucksack: natürlich meine zwei Kameras.

 

Mein Vater hat mir eine kleine Leica-Sammlung hinterlassen, darunter eine M2. Das Design und die Verarbeitung der Kamera faszinierte mich. Da ich aber auch digital fotografieren wollte, kaufte ich mir selbst meine erste Leica, eine M240, die ich seither ebenfalls immer dabei habe. Die Leica SL verwende ich hauptsächlich in Situationen, in denen ich einen Autofokus benötige oder noch nicht ganz sicher bin, was für eine Brennweite ich benutzen möchte. Dank ihres sensationellen elektronischen Suchers benutze ich sie auch oft in Kombination mit dem Noctilux 0.95, um bei schlechten Lichtverhältnissen zu fotografieren.

 An diesem Tag lag rund um die Alp Nebel. Der eher wortkarge Senn nahm mich zur Kenntnis und ging seiner gewohnten Arbeit nach. Ich sog die kalte Morgenluft ein und machte mich an meine Arbeit. Denke ich an diesen Tag, höre ich den Klang von leeren Milchkannen, das Scharren der Kühe und das Knistern des Feuers, habe den Geruch im Stall in der Nase und das knappe Morgenlicht vor Augen, wenn die Milch für den Käse gemolken wird. Ich denke an den Augenblick, wenn der Käser mit der Harfe in die geronnen Milch fährt und ich erinnere mich an die feuchte Kälte im Reifekeller.

 

Ein Tag auf der Alp spiegelt nicht unsere reale Welt. Und doch ist alles so real. Weil nichts passiert, es geschieht einfach. Ohne Aufsehen, ohne Spektakel, aber auch beinahe ohne Worte. Die Geduld, bis die Kühe im Stall sind, das ruhige Warten, bis das Holzfeuer die Milch erhitzt, eine Genügsamkeit, die man 600 Meter tiefer nirgends mehr sieht. Ganz in Ruhe konnte ich meine Bilder machen – so wie ich es jetzt schon eine ganze Weile mache.

 Mit dem Erbe der Fotoausrüstung meines Vaters habe ich zur Fotografie gefunden. Es dauerte nicht lange und ich fing an auf der Strasse zu fotografieren und das ziemlich bald mit meiner M240. Dabei arbeite ich am liebsten mit Fixbrennweiten, vor allem mit 50 mm. Deshalb besitze ich davon auch zwei. Tagsüber fotografiere ich am vorwiegend mit dem Apo-Summicron-M. Die mit diesem Objektiv aufgenommenen Bilder sind knackig, präzise und verfügen über unglaublich schönen Farben. Abends oder nachts bin ich gerne mit dem Noctilux-M 0.95 unterwegs. Ich bin von der Lichtstärke und dem Bokeh dieses Objektivs begeistert. Meistens mache ich meine Fotos mit Offenblende, um eine geringe Tiefenschärfe zu erreichen.

So kann ich das Geschehen rund um mich herum festhalten. Die zufriedene, fast ausdruckslose Gelassenheit im Gesicht dieses Menschen, der schon 50 Sommer lang seinem inneren Ruf folgt und auf dieser Alp sein Tagwerk vollbringt. So wie ich das meine – immer und immer wieder.

 

Biografie

Nach dem Vorkurs an der Schule für Gestaltung absolvierte Simone Hirsbrunner eine Lehre zur Damenschneiderin und eine Weiterbildung zur Stylistin in Paris. Nach verschiedenen Jobs in der Modebranche wechselte sie in den Gastronomiebereich. Während ihrer Zeit als Mitinhaberin von Gastronomiebetrieben erwachte ihre Leidenschaft für die Fotografie und zur grafischen und visuellen Gestaltung. Hirsbrunner ist momentan daran an der Schule für Gestaltung in Bern die Ausbildung zur Fotodesignerin HF zu absolvieren und arbeitet heute als selbstständige Fotografin. Fotoworkshops u. a. mit Thorsten von Overgaard und Craig Semetko, wohnhaft in Thun.