Seelenruhig legt Wolfgang Straub seine Kamera auf den Tisch. Nicht irgendeine Kamera, sondern eine fast hundertjährige Leica. „Ja, es ist ein Film drin“ lacht er. Für seine Foto-Projekte vertraut der sympathische Leica-Fotograf allerdings auf ein neueres Modell, die M10. Und taucht damit seine Welten in blau.

Eigentlich geht es mir nicht um einzelne Fotografien, sondern um ihre Verbindung zu Zusammenhängen. Jedes Bild einer Serie ist anders. Doch wird erst aus der Kombination erkennbar, was sie verbindet. So lässt sich etwas von dem erahnen, wofür es kein Bild gibt.“

Leica-Fotografie in Blau

Die offensichtlichste Gemeinsamkeit und Verbindung in den Bildern von Wolfgang Straub ist das Blau. Ein faszinierendes Blau. Es gibt den Bildern eine unheimliche Dimension, taucht sie in eine ganz eigene Mystik. Dass er seine Aufnahmen entsprechend verarbeitet, ist nicht zufällig. Ursprung dafür war die Kunst von Franz Gertsch. „Er druckt seine Holzschnitte in unterschiedlichen Farben. Dadurch erscheint dasselbe Bild immer wieder anders.“ Diese Erkenntnis hat Wolfgang Straub fasziniert. Und ihn dazu ermuntert, selbst mit Farben zu experimentieren. „Zu meiner Überraschung funktionierten die meisten meiner Bilder mit Blautönen am besten.“

Für die Verarbeitung der Bilder hat Wolfgang Straub eine eigene Technik entwickelt. „Ausgangspunkt ist immer ein Farbbild. Ich wandle dann jeden Farbkanal einzeln in Graustufen um, so dass die Bildaussage am besten zur Geltung kommt. Oft behalte ich auch noch etwas von der ursprünglichen Farbigkeit der Bilder bei – nur gerade soviel, dass sie an der Schwelle zum Sichtbaren bleibt.“ Dann werden dunkle und helle Blautöne drüber gelegt.

Leica-Objektive immer griffbereit

Wolfgang Straub entdeckte bereits früh seine Leidenschaft für die Fotografie. „Mit vierzehn erhielt ich meine erste Kamera – eine Leica I. Seither ist die Fotografie ein wichtiger Teil meines Lebens. Wenn ich ein Projekt, eine Vorstellung im Kopf habe, lässt es mir keine Ruhe, bis es umgesetzt ist. Dies kann manchmal Jahre dauern. Ich lasse mir bewusst Zeit.

An Ideen und Projekten mangelt es Wolfgang Straub nicht. Während zehn Jahren fotografierte er nur Landschaftsgärten und hat sich mit der Landschaftsgestaltung als Kunstform befasst. Nun fotografiert er oft in Museen „um nicht ausgestellte Bilder zu finden“ sagt er philosophisch.

Ausprobiert hat er vieles. Momentan ist er vor allem mit der Leica M10 unterwegs. Und mit ganz vielen Objektiven. „Oft brauche ich ein Objektiv für ein Bild und wechsle dann für das nächste auf ein anderes. Manchmal trage ich bis zu sieben Objektive mit mir herum.“ Straub ist ein Leica-Profi, macht die meisten Bilder über den Messsucher. „Es ist reine Übungssache. Ich finde den richtigen Fokus über den Messsucher oft viel schneller als mit einem elektronischen Sucher.“

Die Kamera des Grossonkels

Zurück zum Bijou auf dem Tisch, der ersten serienmässig hergestellten Kleinbildkamera überhaupt. „Sie gehörte meinem Grossonkel“, sagt Wolfgang Straub lächelnd. Auch sein Vater hatte schon mit Leica fotografiert. Er führt diese Tradition mit viel Leidenschaft und Aufwand weiter. Und hat zur Sicherheit mal einen schwarzweiss Film in die alte Kamera gelegt.

 


 

Haben Sie ein Lieblingsobjektiv?

Im Gegensatz zu vielen anderen Fotografen habe ich keine Lieblingsbrennweite. Für unterschiedliche Aufnahmesituationen suche ich jeweils nach dem Objektiv, welches eine bestimmte Bildwirkung am besten zum Ausdruck bringt. Ich verwende praktisch alle Brennweiten des M-Systems von 21-135 mm, am meisten 28, 35, 50, 75 und 90mm. Manchmal kämpfe ich mit Staub in der Kamera, weil ich so oft Objektive wechsle..

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Ausrüstung?

Objektive und Sensoren weisen zahlreiche Eigenschaften auf, welche Einfluss auf die Bildgestaltung haben: Relevant sind nicht nur Brennweite, Lichtstärke und Auflösung, sondern auch das Verhalten in Gegenlichtsituationen, Mikrokontrast, Abbildung von Lichtquellen etc. Man muss über längere Zeit hinweg mit einer bestimmten Objektiv-Kamera-Kombination fotografieren, um deren Bildwirkung in unterschiedlichen Situationen zu verstehen. Ich habe sehr viel ausprobiert und mich schliesslich pro Brennweite auf ein einziges Objektiv beschränkt. Dabei habe ich eine Balance zwischen hoher Lichtstärke und höchster Auflösung gesucht.

Gibt es darunter auch Objektive mit besonderen Effekten wie das Thambar?

Nein. Dies mag vielleicht paradox klingen, aber ich versuche stets von einer möglichst genauen Wiedergabe der Wirklichkeit auszugehen. Ich verwende – mit Ausnahme der Leica I – Ausrüstung der aktuellen Generation. Dabei schätze ich die Gleichmässigkeit von Abbildungseigenschaften wie der Farbwiedergabe über die gesamte Objektivpalette hinweg. Meinen Fotografien soll nicht auf den ersten Blick anzusehen sein, mit welchem Objektiv sie gemacht sind – daher meide ich extreme Brennweiten und suche nach einer natürlich wirkenden Perspektive.

Weshalb verwenden Sie fast ausschliesslich Leica-Ausrüstung?

Ich habe mit unterschiedlichen Kamerasystemen experimentiert, bin aber immer wieder auf die Leica zurückgekommen. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass die M-Kameras sehr handlich sind und dennoch eine exzellente Bildqualität ermöglichen. Ich bin gewohnt, bei der Umsetzung eines Bildmotivs in Zeit, Blende, Empfindlichkeit und Schärfentiefe zu denken. Daher stelle ich am liebsten alles manuell ein. Bei meiner Art des Fotografierens kommt es kaum auf Geschwindigkeit an, wohl aber auf Präzision. Ich fotografiere oft Spiegelungen, Schattenwürfe und bewegte Wasseroberflächen, bei denen Automatiken überfordert sind. Die M10 bietet mit Messsucher und Live-View nun mehrere Fokussierungsmethoden, die ich je nach Bedarf nutze.

Weblink: www.wolfgangstraub.ch