Das ewige Eis ist einem ständigen Wandel unterworfen: In Gletschern gehen Vergangenheit und Gegenwart in völliger Zeitlosigkeit auf. In seinen radikalen und surrealistischen Fotografien gibt Gaudenz Danuser dieser Verschmelzung von Zeit und Raum sichtbare Gestalt. Alpine Fragmente heißt sein Projekt, das Ausschnitte aus Bergwelten zeigt, die sich auf die teils jahrhundertealten Strukturen der Landschaften konzentrieren. Damit schuf der Fotograf ein einzigartiges Zeitdokument, das einen unkonventionellen Blick auf die Gletscher der Schweizer Alpen wirft.

Was hat Sie zu diesem Projekt motiviert?
Das Thema „Gletscher“ schwebte mir seit einiger Zeit vor, allerdings war ich mir lange unsicher, wie ich es umsetzen sollte. Mein Ziel war, Gletscherbilder aus einer ungewohnten Perspektive zu realisieren, mit der Absicht abstrakte Bilder mit grafischen Strukturen zu schaffen.

Wo genau ist die Serie entstanden und wie lange haben Sie daran gearbeitet?
Die fotografierten Gletscher liegen in den Zentralschweizer Alpen. Von der Idee bis zur Umsetzung brauchte es mehrere Monate. Die Bilder selbst sind relativ schnell entstanden, aber die Arbeit präzise vorzubereiten, hat viel Zeit in Anspruch genommen.

Sie haben alle Aufnahmen aus einem Helikopter heraus aufgenommen. Gab es da besondere Herausforderungen?
Die größte Herausforderung war, den richtigen Zeitpunkt für den Flug und die richtigen Gletscher zu erwischen. Während des Flugs erfordert das besondere Setting im Helikopter große Konzentration. Sobald ich die Tür in über 3000 Metern Höhe öffne und mich gesichert herauslehne, bin ich einerseits dem Wind/Abwind, anderseits dem Rütteln des Helikopters ausgesetzt. In dieser Situation sich auf das Bild zu konzentrieren und gleichzeitig via Funk den Piloten in die richtige Position zu lotsen – da steigt die Pulsfrequenz schon etwas an.

In Ihren Aufnahmen verschwimmen die Grenzen zwischen (Kohle)zeichnungen, abstrakter Malerei und Fotografie. Wann wussten Sie, dass der Moment des Auslösens gekommen war?
Höhe und Position des Helikopters müssen genau stimmen. Ist man zu nah oder zu weit weg vom Eis, werden Formen direkt erkennbar und verlieren ihre abstrakte Qualität. Nur in einer bestimmten Distanz wirken die grafischen Strukturen so, wie ich sie suchte.

Welche Rolle spielte der Zufall in diesem Projekt?
Dem Zufall habe ich möglichst wenig überlassen: Ich habe mit topografischen Karten geeignete Gletscher recherchiert. Darüber hinaus war ich in engem Kontakt mit dem Helikopterpiloten, den ich seit Jahren kenne und mit dem ich bereits andere Projekte realisiert habe. Er hielt für mich in der Luft die Augen offen, weil für das Projekt der richtige Zeitpunkt absolut entscheidend war, die Bedingungen auf dem Eis und die Wetterverhältnisse mussten einfach stimmen.

Wie war die Arbeit mit der Leica SL2? Welche Objektive haben Sie benutzt?
Zunächst war ich mir nicht ganz sicher, ob der Bildstabilisator eine Hilfe oder durch die Vibrationen im Helikopter eher ein Nachteil wäre. Die Sorge war jedoch unbegründet. Somit war es für mich klar, mit der SL2 zu arbeiten. Gerade beim Fotografieren aus dem Helikopter ist es angenehm, eine handliche, übersichtliche und zuverlässige Kamera dabeizuhaben. Für die feinen Farbverläufe, Details und Strukturen war sie einfach perfekt. Als Objektiv habe ich das Leica Vario-Elmarit-SL 1:2.8–4/24–90 ASPH. verwendet, um einen gewissen Spielraum bei der Brennweite zu haben.

Hatten Sie bei Alpine Fragmente eine bestimmte fotografische Herangehensweise?
Im Grunde nicht. Ich suche in all meinen Projekten gezielt bestimmte Orte zu bestimmten Zeitpunkten auf. Dabei kann es vorkommen, dass ich mit meiner Einschätzung von Ort oder Zeitpunkt falsch liege. Was dazu führt, dass ich manche Orte öfter besuche.

Wenn man sich auf Ihrer Seite umschaut, merkt man, dass Sie sich in vielen fotografischen Terrains wohlfühlen. Was gibt Ihnen die Motivation, die Fotografie immer wieder neu auszuloten?
Die verschiedenen Terrains haben mit meinem Werdegang zu tun. Mein Hintergrund liegt in der Architektur, als junger Fotograf arbeitete ich jedoch vornehmlich für Outdoorfirmen. Im Laufe der Zeit kam dann vieles zusammen: Eine Vorliebe für grafische Strukturen, die Leidenschaft für Berglandschaften sowie mein persönliches Interesse am Outdoorsport.

Welches fotografische Genre ist Ihnen persönlich am wichtigsten und warum?
Am meisten zu Hause fühle ich mich in der Landschaftsfotografie. Diesem Genre, das bereits heute den wichtigsten Teil meiner Fine-Art-Fotografie ausmacht, möchte ich mich künftig noch stärker widmen.

Wie sehen Ihre nächsten Projekte aus?
Öfter mal heraus aus den Bergen und andere Landschaften erkunden.

Gaudenz Danuser arbeitet seit 30 Jahren als selbstständiger Fotograf. Wohnhaft ist er in Flims in den Bündner Bergen. Ursprünglich machte er eine Ausbildung im Bereich Architektur, welche er zu Gunsten der Fotografie aufgab. Bis heute hegt er ein Interesse für ästhetische Formen und grafische Strukturen. Er ist Vater von drei erwachsenen Kindern. Neben seinem Interesse für die Natur zieht es ihn auch immer wieder ins Ausland. Früher für große Jobs im Bereich Outdoorsport, heute um sich dem Meer zu widmen. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Gaudenz Danuser auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.