Man muss doch einen Typ erkennen, der eine nachgebaute Originalversion des Aston Martin von James Bond einer Feuersbrunst aussetzt, um davon spektakuläre Bilder machen zu können. Eine Zigarette im Mundwinkel, Sternenhimmel über dem Kopf, Winkeln, Hitze und Licht genau berechnet, die Leica S in der Hand. Ja klar, man erkennt ihn. Zweifellos. Jean-Jacques Ruchti sitzt am Ufer des Bielersees. Béret auf dem Kopf, langer weisser Bart, die Haare nach hinten gebunden, auch die Zigarette fehlt nicht. Wären wir im Film, wäre er nicht James, sondern eher sein kongenialer Tüftler Q, oder jener, der mit ihm in einer coolen Bar eine Zigarre anzündet und ein Martini trinkt, geschüttelt natürlich.

 

«Das Feuer war meine Idee. Die Überlegung war: was passt zu James Bond? Frauen oder Feuer» erzählt Jean-Jacques lachend. «Frauen hätten das Budget überzogen, also wählte ich das Feuer». Begonnen hatte alles beim Bernina Grand Turismo. Jean-Jacques wurde vom Event gebucht, um im Rahmen der Leica Akademie einen Kurs über Autofotografie zu leiten. Dort lernte er Wolfram Meister kennen, den Herausgeber des Bianco Magazins. Dieser wiederum wusste von einem wohlhabenden Bündner Unternehmer, welcher einen der exklusiv angefertigten Aston Martins bestellt hatte. Das eine führte zum anderen. Der Aston Martin DB 5 wurde irgendwann im Frühling 2021 geliefert, Wolfram Meister wollte die Story in seinem Magazin, Jean-Jacques war der ausgewählte Fotograf. Fehlte nur noch die Kulisse. Frauen oder Feuer.

Leica S 007

Dass ausgerechnet er zum Handkuss kam, ist kein Zufall. Jean-Jacques war 10 Jahre lang Werksfotograf beim Formel 1-Unternehmen Sauber. Er kennt die Materie. Und er weiss, wie man eine exklusive Story planen muss. «Es steht und fällt alles mit einer guten Planung. Nutzt man den idealen Moment nicht, ist es zu spät». Es klingt komisch, wenn Jean-Jacques erzählt, dass er die Szene mit Spielzeugautos zu Hause auf dem Tisch nachspielte. Zeichnungen anfertigte, Winkeln prüfte und Abläufe auf Papier festhielt. «In der Formel 1 habe ich gelernt, wie wichtig Planung ist. Es muss alles in dem einen Moment aufgehen. Zudem hat mir bei diesem Projekt meine Erfahrung mit Feuer geholfen». Erfahrungen, welcher er bei Arbeiten für die Feuerwehr und das Testzentrum in Thun gemacht hatte. Dort kann man Autos in Brand setzen, unter anderem. Ein Anruf genügte, und die Crew in Thun war dabei. «Die wollten das unbedingt machen. Also musste ich nur noch meiner Versicherung anrufen. Dieses Auto kostet bisschen etwas, «so um die 4 Millionen Franken» sagt er lässig und lacht wieder sein verschmitztes Lachen.

Bevor der Aston Martin die Rampe verlassen durfte, machte Jean-Jacques Bruder Georges ein minutiöses Abnahmeprotokoll. Dasselbe passierte, bevor das Auto wieder aufgeladen wurde. Kein Kratzer war zu sehen, so viel sei verraten. Ebenfalls keinen Kratzer hatte seine geliebte Leica S, mit welcher er die spektakuläre Szenerie festhielt. «Die perfekte Kamera für mich. Sie macht alles mit, ist extrem robust. Sie hat den grössten und schönsten Sucher. Ich arbeite eigentlich durchwegs nur mit ihr, seit vielen Jahren». Es ist wohl die Ironie dieser Geschichte, dass er die Leica S 007 in der Hand hält. Hat nichts mit James zu tun. Für Bond-Fans erscheint im September die Leica Q Spezialausgabe «James Bond». «Die Leica Q hatte ich als Zweitkamera beim Shooting mit dabei, für alle Fälle. Aber ganz ehrlich, ich habe eine Hassliebe zur modernen Fotografie. Meine Lieblingskameras sind die Leica S und die Leica M. Ich begann halt im analogen Zeitalter. Fotografie bedeutete damals Freiheit. Es war aufregend, die Bilder nicht sofort sehen zu können. Man kreierte sie im Kopf».

Die weite Reise des Jean-Jacques

Leica ist die Marke seiner Wahl, seit er vor 30 Jahren die Ausbildung zum Fotografen abschloss und sich auf die ersten Trips machte. Es waren Reisen, die es in sich hatten. Er landete im mexikanischen Dschungel bei der Crew von Subcommandante Marcos, in Afghanistan bei den Taliban, im umkämpften Gazastreifen. Zu Beginn mit der Leica M, später immer öfter mit der Leica S. «Die Qualität der Linsen und die Originalaufnahmen sind unglaublich gut. Ich kann diese problemlos und ohne Qualitätseinbussen aufblasen». Jean-Jacques arbeitet vor allem mit der Kombination Leica S mit 35er Objektiv. «Dadurch erhalte ich eine ganz spezielle Dynamik im Bild, was auch für Autoaufnahmen perfekt passt. Das 35er ist ein leichter Weitwinkel, ohne Verzug in den Ecken. Eine sehr natürliche Bilddarstellung, sehr nahe am menschlichen Sehwinkel». Selbstverständlich besitzt er die ganze Palette an Objektiven, so auch das 70er mit seiner «sagenhaften Schärfe» oder das 100er mit der «wunderschönen Brennweite und unterschätzten Brillanz».

Jean-Jacques ist nicht einer, der sich gerne auf etwas reduzieren lässt. Am liebsten mag er die künstlerische Freiheit. Wie beim letzten Projekt, dem Aston Martin. Überhaupt hat sich die Welt der Fotografie verändert, seit er im Business ist. «Früher habe ich viel Modefotografie gemacht, arbeitete für Magazine. Dies ist alles zusammengebrochen. Man muss flexibel bleiben, ich switche gerne zwischen verschiedenen Projekten. Heute bin ich viel öfter unterwegs als früher, was völlig ok ist.» Auch die Reisefotografie hat sich verändert. Hatte ein einziges Bild früher einen enormen, nachhallenden Impact, erreichen heute tausende Bilder innerhalb kürzester Zeit Menschen auf der ganzen Welt. «Momentan erleben wir eine Überflutung mit Bildern. Man kann die Menschen kaum noch wachrütteln mit einem Foto. Und trotzdem behält ein gutes, ehrliches Bild seine Kraft und Energie. Ich bin der Meinung, dass wir Fotografen besser werden müssen. Wir müssen dort beginnen, wo die digitale Fotografie aufhört. Wir müssen das machen, was sonst niemand macht» sagt Jean-Jacques, mit einer Zigarette im Mundwinkel. Er ist auf dem besten Weg dazu, denn einen von Hand original nachgebauten Aston Martin von James Bond in einer Feuersbrunst zu fotografieren, hat definitiv noch niemand gemacht.

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