Fotografie lässt sich gleichermaßen als Produkt der aktuellen Ästhetik und als Medium verstehen, das einen bestimmenden Einfluss auf sie ausübt. Blickt man zurück auf das Aufkommen der Farbfotografie und insbesondere auf die amerikanischen Fotografen der frühen 1970er-Jahre, erkennt man ihren Einfluss bei der Definition eines eigenständigen Bildes von Amerika. Fotografen wie William Eggleston und Stephen Shore reflektierten die zeitgenössische Ästhetik von Kino, Zeitschriften, Fernsehen und sogar Postkarten. Ihre Auswahl von Motiven erhob Supermärkte, Restaurants, staubige Straßen und pastellfarbene Autos zu langlebigen kulturellen Signifikanten.

In der Gegenwart erleben wir ein ähnliches ästhetisches Phänomen. Der moderne Look von Hollywood-Filmen und Runaway-Fernsehserien wie „Stranger Things“ hat die weltweite Wertschätzung für Low-Light-Situationen gefördert. Sporadische Neonlichter, umgeben von einem ahnungsvollen Nebel, unterbrechen dunkle, stimmungsvolle Atmosphären. Das ist auch ein in der Vergangenheit verankerter Look. Das Retro-Feeling der Bilder wird durch eine Auswahl von Motiven verstärkt, die denen der amerikanischen Fotografen der 1970er-Jahre ähneln. Oldtimer, Restaurants, heruntergekommene Straßen und Motelparkplätze feiern ein Comeback – interessanterweise ein Gefühl der Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die die heutige Generation nie aus erster Hand erlebt hat.

Der französische Fotograf Arthur Janin ist kürzlich für sein eigenes ästhetisches Abenteuer nach L.A. gereist. Sein Wunsch, Low Light ultimativ einzufangen, führte ihn auf eine Suche nach den einsamen Szenen eines vergangenen Amerika. Mit heruntergelassenem Fenster und seiner Leica SL auf dem Sitz neben sich begann seine Reise „auf der Suche nach dem Licht, dem Licht, das das Banale in Magie verwandelt“.

Was hat Sie bewogen, Fotograf zu werden?

ür Fotografie habe ich mich schon immer interessiert. Ich habe als Kind mit der analogen Kamera meiner Eltern fotografiert, aber wirklich mit dem Fotografieren begonnen habe ich 2007 als 20-Jähriger, nachdem ich mir eine DSLR gekauft hatte. Damals zeigte ich meine Fotos der professionellen Fotografin Marie-France Jeannin, die in Frankreich für ihre Porträts bekannt ist. Sie sagte mir, dass ich das Auge eines Fotografen hätte. Meine Bilder waren gut komponiert, ausgewogen und relevant. So habe ich selbst weiter gelernt, das heißt ich bin Autodidakt.

Sie sagen, dass Sie sich vom amerikanischen Kino inspirieren lassen. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Ich liebe schöne Kinobilder. Ich liebe auch entsättigte Farben, Blautöne und kalten Weißabgleich, wie man ihn in großen amerikanischen Filmen sieht. Einige Filme, die mich in dieser Hinsicht inspiriert haben, sind „The Revenant – Der Rückkehrer“, „Gran Torino“, „Django“, „The Hateful 8“ und Serien wie „Breaking Bad“, „Fear The Walking Dead“ und „Stranger Things“.

Welche Fotografen haben Sie inspiriert? Und warum?

Viele, aber meine Favoriten sind Stephen Vanasco und Florian Weiler für ihre erstaunlichen Porträts. Josh Sinn, Michael McCluskey und Patrick Joust zählen ebenfalls zu meinen Favoriten, vor allem weil ich es schätze, wie sie das Licht bei Nacht einfangen. Ich liebe die Orte, an denen sie fotografieren. Oft gehören alte US-Automobile im Nachtnebel dazu.

Wann haben Sie Ihre erste Leica gekauft? Und wie hat sich Ihr Verhältnis zur Marke im Laufe der Jahre entwickelt?

Ich kaufte meine erste Leica-Kamera im Januar 2012, es war eine silberne Leica M9 mit einem Elmarit-M 1:2.8/28 mm ASPH. und einem APO-Summicron-M 1:2/75 mm ASPH. Im November 2012 kaufte ich mir eine schwarze M7, weil ich nie aufhören konnte, analog zu fotografieren!

Ein paar Jahre später erwarb ich dann eine silberne Leica M (Typ 240) mit dem berühmten Summilux-M 1:1,4/35 mm ASPH. FLE. Von diesem Moment an nahm alles Fahrt auf. Im September 2015 wurde mit der Leica Q ein neuer Stern geboren, der bald in mein Leben trat. Im selben Jahr erschien ein zweiter Stern, die Leica SL, in meiner Kameratasche. Im April 2017 hatte ich endlich das Glück, eines der ersten Summilux-SL 1:1,4/50 mm ASPH. in Frankreich zu besitzen. Ich denke, es ist angemessen zu sagen, dass ich wirklich in Leica verliebt bin!

Ihre Low-Light-Serie präsentiert eine starke und stimmige Ästhetik. Wie sind Sie auf das Konzept gekommen?

Ich liebe Kalifornien, besonders Los Angeles wegen des Lichts bei Nacht. Die schlecht beleuchteten Straßen schaffen eine unangenehme, verstörende, fast beängstigende Atmosphäre. Das ist genau das, was ich suche.

Ich bin jede Nacht viel herumgefahren, um die richtige Straße mit dem richtigen Auto am richtigen Ort im richtigen Licht zu finden. Deshalb fühlte ich mich ein wenig wie ein Jäger, der Autos und Licht jagte, ohne zu wissen, wohin ich eigentlich wollte.

Das kalte Gefühl der Bilder ist fast greifbar. Wie haben Sie das gemacht?

Wie gesagt, ich liebe kalte Töne und entsättigte Farben, wie man sie in den genannten Filmen und Serien findet. Um einen ähnlichen Effekt in der Fotografie zu erzielen, muss man manchmal nur den Weißabgleich etwas herunterfahren und die Sättigung reduzieren. Es ist ein Weg den ich schätze, um meinen eigenen Stil zu schaffen.

Welche Bedeutung haben die Oldtimer für die Komposition dieser Bilder? Und nach welchen anderen Dingen haben Sie noch gesucht, um die Komposition der Aufnahmen zu vervollständigen?

Ich bin in US-Oldtimer verliebt. Meistens gehe ich auf die Knie, um in der richtigen Höhe und aus Respekt vor ihnen zu fotografieren. Ich denke, sie bringen, ähnlich wie eine Person, etwas in die Geschichte einer Aufnahme ein.

Ich achte auch immer auf Leuchtschilder, wie man sie an Restaurants oder Hotels findet, denn die Neonröhren bringen viele Farben ins Bild! Die beste Komponente ist jedoch zweifellos der Nebel bei Nacht. Vor allem, wenn ihn nur wenige Lichtquellen punktieren, etwa die erleuchteten Fenster eines Hauses. In meiner nächsten Serie wird es sehr stark um diese Art von Motiven gehen, ich werde sie „Light Hunter“ nennen.

In welchen Ecken der Stadt haben Sie gearbeitet, um dieses alte L.A.-Feeling einzufangen?

In East Los Angeles, Sun Valley, Alhambra und vielen anderen Orten, weil ich, wie gesagt, immer herumfuhr, ohne zu wissen, wohin ich tatsächlich fuhr. Ich hatte die Fenster geöffnet und fuhr sehr langsam, um nichts zu verpassen.

Eine der Herausforderungen bei Available-Light-Aufnahmen kann das direkte Licht, hell und weiß, aus bestimmten Quellen sein. Wie sind Sie mit dieser Herausforderung umgegangen?

Das direkte Licht hat mich nie wirklich gestört. Das liegt vielleicht daran, dass ich hauptsächlich mit Blende 1,4 fotografiert habe und die Straßenbeleuchtung nicht sonderlich hell war. Die Kamera und die Objektive kümmerten sich um den Rest, sodass es für mich wirklich kein großes Problem war.

Mit welchen Belichtungszeiten und ISO-Einstellungen haben Sie unter diesen Lichtverhältnissen gearbeitet?

Wenn ich das Stativ benutzen konnte, was meistens der Fall war, habe ich hauptsächlich mit dem Summilux-M 35 mm an der Leica SL bei ISO 100 mit Blendenpriorität bei 1,4 fotografiert. Das Motel habe ich mit einem Leica Super-Elmar-M 1:3,8/18 mm ASPH. bei Blende 11 und 1 s aufgenommen, während die Q-Fotos bei ISO 1600 zwischen 1/30 und 1/50 s bei Blende 1,7 ohne Stativ aufgenommen wurden.

Sie haben hauptsächlich mit der Leica SL, aber auch mit der Leica Q fotografiert. Abgesehen von den Objektiven, welche Unterschiede gab es in Ihrer Herangehensweise?

Die Leica Q ist die Kamera, die man immer dabeihat, leicht, klein, sehr einfach zu bedienen und in ganz unterschiedlichen Situationen großartig. Die Leica SL ist dagegen schwerer und größer, aber mit dem besten elektronischen Sucher der Welt ausgestattet. Es ist immer ein großes Vergnügen, in den Sucher zu schauen und zu erleben, wie das Foto exakt aussehen wird! Die Farben und Töne beider Kameras sind unterschiedlich. Ich finde, dass die Q weniger farbenfroh und etwas wärmer ist. Zusammenfassend meine ich, dass die SL die „professionellere“ Kamera ist, während die Q wirklich von jedem benutzt werden kann.

An welchen anderen Projekten arbeiten Sie derzeit?

Ich liebe die Atmosphäre, wenn nachts Nebel über die Häuser fällt und nur wenige Lichtquellen zur Verfügung stehen. Also werde ich versuchen, bei Nacht schöne Orte zu finden, um meine nächste Serie „Light Hunter“ zu kreieren.

Wenn Sie Ihren Berufskollegen einen Ratschlag geben könnten, welcher wäre das?

Fotografiert, was ihr liebt, was Ihr schön findet. Versucht, euren eigenen Stil bei Tönen und Farben zu finden, und vergesst nicht, dass die Komposition eines Bildes eine sehr persönliche Sache sein sollte.

 

Weitere Arbeiten von Arthurs Janin finden Sie auf seiner Webseite und bei Instagram.

 

Leica SL

Fast. Direct. Mirrorless.