Der Fotograf Kane Hulse lebt in London und realisiert Projekte, die Farbe und Form durch Fotografie erkunden. Von Architektur und Kunst geprägt bewegt sich Kane in seinem Medium und komponiert grafische Fotografien, die die urbane Realität von Städten in der ganzen Welt dokumentieren. Seine ersten beiden Bücher befassen sich mit der Architektur von Neapel (2013) und Havanna (2015), während seine jüngste Serie aus Marseille im Sommer 2018 im Leica Store UK ausgestellt wurde. Seine Fotos aus der südfranzösischen Stadt, aufgenommen mit der analogen Leica M6, sind eine Ode in Rosa und Blau an den geschäftigen Hafen am Mittelmeer. Sein Werk fängt die rekonstruierte Schönheit der Stadt im Kontext der modernen mediterranen Architektur ein. Wir sprachen mit Kane über seine Liebe zur analogen Fotografie und wie er dazu kam, seinen ursprünglichen Plan, Pastis in der Sonne zu trinken und die Marseiller Ultra-Szene zu dokumentieren, aufzugeben, nachdem er sich von einem Zitat von Monet inspirieren ließ.

Wie sind Sie ursprünglich zur Fotografie gekommen?

Mein Einstieg in die Fotografie begann technisch im Alter von 18 Jahren im Rahmen des lokalen Kunstkurses am Ravensbourne College. Ich wurde von einem Freund beeinflusst, zu dem ich aufblicke, und begann, ziemlich alberne Modegeschichten auf Einwegartikeln zu fotografieren. Visuell begann mein Weg in die Fotografie, als ich mich der italienischen Kinomoderne der 60er-Jahre befasste, was das Bedürfnis mit sich brachte, selbst ikonografisch zu arbeiten.

Welche Fotografen haben Ihren Stil beeinflusst und inspiriert?

Luigi Ghirri ist für mich die Nummer eins. Ich stieß auf sein Buch „Kodachrome“ und fühlte mich sofort eins mit der Gelassenheit, die er durch seine Arbeit vermittelt. Man spürt, dass er in der Natur zu Hause war, aber es sind seine architektonischen Kompositionen und urbanen Landschaften, die seine Arbeit besonders machen. William Eggleston ist auch eine große Inspiration. Sein Einsatz von Farbe und Komposition bewegt sich auf höchstem Niveau.

Wann haben Sie begonnen mit Leica zu fotografieren?

Ich arbeite schon seit einigen Jahren mit Leica. Für mich steht die Marke für eine Eleganz im Design, die mich fotografieren lässt, wie ich will. Ein Großteil meiner Arbeit ist von minimalistischen und modernistischen Ansätzen inspiriert und ich denke, Leica repräsentiert diese Werte durch ihre Arbeit.

Woher rührt Ihr Interesse für architektonische Formen und Strukturen?

Als Jugendlicher bewegte ich mich zwischen dem langweiligen Vorort Bromley und verschiedenen Vierteln im Londoner Süden, der einen tiefen visuellen Eindruck auf mich hinterlassen hat. Die brutalistischen Gebäude erschienen mir damals riesig und das Herumwandern fühlte sich an wie der Gang durch einen Filmset. Gleichzeitig haben die Filme und Serien, die ich gesehen habe wie „Lock Stock…“ Architektur immer dafür genutzt, um eine Stadt darzustellen, und das hat sich bei mir festgefahren.

Welches Konzept steht hinter Ihrer Serie?

Ursprünglich war geplant, in der Sonne Pastis zu trinken und die Marseiller Ultra-Szene zu dokumentieren, aber die Dinge liefen ganz anders. Von Monet gibt es ein Zitat aus seiner Zeit in Antibes, das meine Serie verkörpert: „Was ich von hier mitbringe, wird die Süße selbst sein, weiß, rosa und blau, alles eingehüllt in diese magische Luft.“ Das erschien mir schon bei meiner Ankunft in Marseille sinnvoll und motivierte mich, die architektonische Geschichte der Stadt in Farbe und Form zu vermitteln.

 

Welche Rolle spielt Farbe in Ihren Kompositionen?

Farbe ist für meine Arbeit unerlässlich. In meiner Kindheit wirkte alles Architektonische sehr grau, während die Farbpaletten des Kinos und der Bücher einen Hauch von Eskapismus boten. Farbe erzeugt sehr tiefe Emotionen. Wenn ich eine Farbe sehe, die mich anspricht, versuche ich, das Bild um sie herum zu komponieren und ihr eine Plattform zu geben. Es könnte eine verlassene Matratze oder eine „Unite d’Habitacion“ (Wohneinheit) von Le Corbusier sein. In Marseille sind sie mit Farbmomenten gesegnet, die Ihnen die Sonne wie ein Uhrwerk öffnet.

Sie haben diese Serie mit der Leica M6 aufgenommen. Wie beeinflusst die analoge Ausrüstung Ihren Prozess und den daraus resultierenden fotografischen Stil?

Sie entspannt den Prozess vollständig. Die analoge Fotografie schätzt ihre Unvollkommenheiten und ist damit eine Abkehr vom Konzept des perfekten Bildes. Es gibt kein ständiges Starren auf das Display nach dem Schuss oder im Hotel, um die Winkel zu überprüfen, sodass Sie sich entspannen und einfach fotografieren können. Ich glaube, wir brauchen Abstand vor dem Betrachten unserer Bilder – analoges Fotografieren macht das möglich. Es ist reizvoll zu wissen, dass der Film komplett vermacht zurückkommen kann – was die Bilder am Ende noch besonderer macht.

Sie haben mit einem Summilux-M 1:1,4/50 mm und einem Summicron-M 1:2/28 mm fotografiert. Wie beeinflussen diese Brennweiten Ihren Stil und welche Herausforderungen stellen sie dar?

Ich begann mit dem Summicron, das perfekt geeignet war, um in den engen, schattigen Straßen von Marseille zu fotografieren, aber manchmal nimmt es auch zu viel auf. Besonders, wenn ich ein „sauberes“ Bild wollte. Also wechselte ich zum Summilux und das war das perfekte Objektiv für die Arbeit. Es ließ mich kontrollieren, was sich im Rahmen befand, und ich konnte die gewünschten grafischen Kompositionen erstellen, während ich gleichzeitig bestimmte Farbpartien oder Formen, die ich im Bild hervorheben wollte, isolierte. Unglaublich, wie viele verschiedenen Pinktöne mit diesem Objektiv möglich waren.

Ihre Serie arbeitet in erster Linie mit abstrakten Perspektiven und zeigt nie die Gebäude und Strukturen als Ganzes. Warum?

Es schränkt mich ein, Gebäude als Ganzes zu dokumentieren. Google wird dieses Bild haben, wenn Sie danach suchen, und es wird zehnmal gemacht worden sein. Ich lasse Fotos gern ein Element des Geheimnisvollen. Warum kann ein Detail aus einem Supermarktparkplatz nicht so schön sein wie das aus einem Meisterwerk des Designs, etwa von Le Corbusier? Es bietet eine demokratischere Sicht auf das, was wir für schön halten. Ich denke, was die Menschen einer Struktur entnehmen, sind die Details, die sie erreichen. Es könnte die Form eines Türgriffs oder ein minzgrüner Farbton in der Sonne sein – das sind genau die Dinge, die zu dokumentieren mir wichtig sind.

Neben den physischen Formen und Farben in Ihren Kompositionen arbeiten Sie auch mit starken Schatten. Was fügen Sie Ihrer Fotografie hinzu?

Schatten erzeugen das Gefühl, nicht zu wissen, was da ist. In Kombination mit abstrakten Kompositionen hinterlässt das, aus der Perspektive des Betrachters, genügend Geheimnisvolles. Tanazaki sagte: „Gäbe es keine Schatten, gäbe es keine Schönheit“ – dagegen gibt es nichts einzuwenden.

Sie haben in ganz Europa Serien aufgenommen, die sich mit architektonischen Formen und Farben in Städten befassen. Wie sieht Marseille im Vergleich zu diesen anderen Städten aus? Was macht es einzigartig?

Wie Neapel galt Marseille schon immer als eine schmutzige Hafenstadt. Anfangs fand ich das sehr ansprechend, aber nach dem Erkunden der Stadt wurde mir klar, dass Marseille eine ganz einzigartige Marke der mediterranen Moderne besitzt. Das war etwas, auf das ich noch nie zuvor gestoßen war. Marseilles architektonische Identität ist von der Nachkriegsmoderne geprägt. Wenn sich die Sonne vom Aufgang bis zum Untergang poetisch über den Hafen bewegt, erzeugt sie ein unglaubliches Licht auf die Stadt. Man fühlt sich, als wäre man im Epizentrum der Welt.

An welchen anderen Projekten arbeiten Sie derzeit? Auf was können wir uns in naher Zukunft freuen?

Ich arbeite an einer Reihe von Bildern, die das Vergehen der Wandanstriche in Venedig dokumentieren. Im Laufe der Jahre streichen Hausbesitzer die Wände immer wieder, um Verschmutzungen oder Graffiti zu übertünchen: Das führt zu Schichten unglaublicher Farben, von der Sonne durchtränkt, erodiert von natürlichen Prozessen. Die Serie heißt „Pentimento“ und wird im Februar nächsten Jahres im Mayfair Store von Paul Smith in London ausgestellt.

Welchen Ratschlag würden Sie Ihren Berufskollegen geben?

Schaut über den Tellerrand der Fotografie hinaus, lest Literatur, erkundet die Natur und findet eure Inspirationen an anderer Stelle. Fotografie braucht neue Perspektiven.

 

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