Die venezolanische Fotografin Ana María Arévalo hat lange Zeit im Ausland verbracht. Als sie 2017 zurückkehrte, fand sie ihrer Heimat in einer tiefen Krise vor. Für Ihre Serie Días Eternos fotografiert sie Frauen, die in sogenannten Haftzentren festgehalten werden. Viele von ihnen sind willkürlich inhaftiert und schmachten dort monate- oder sogar jahrelang, bevor sie vor Gericht gestellt werden. Die unmenschlichen Bedingungen, unter denen diese Frauen wartend ihr Leben verbringen, sind für Arévalo ein Spiegelbild der Krise in Venezuela. Wir sprachen mit ihr über Nähe, Respekt und die Vorteile der diskreten Leica Q.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Serie über die venezolanischen Haftzentren zu machen?

Nach dreieinhalb Jahren im Ausland bin ich 2017 nach Venezuela zurückgekehrt. Mitten in der Krise, in der sich das Land befindet, kam mir das wie eine Ewigkeit vor; Venezuela hatte sich radikal verändert. Mit einer befreundeten Journalistin brütete ich über Ideen, wie man die Krise fotografisch erfassen könnte. Sie berichtete mir über die Situation der Menschen, die festgenommen und in Haftzentren verbracht werden. Kurz nach diesem Gespräch besuchten wir eines dieser Gefangenenlager in Caracas und ich sah, dass die Situation der Inhaftierten sehr ernst war. So viele Menschenrechte wurden missachtet.

Was genau haben Sie beobachtet?

Im „Zwinger“ – so nennen die Gefangenen ihre Zellen – teilte sich eine Gruppe von Frauen einen sehr kleinen, dunklen Raum. Die Luft war stickig. Sie hatten wenig Platz zum Schlafen, keine Privatsphäre, und um auf die Toilette zu gehen, mussten sie vor den anderen Frauen einen Eimer benutzen. Sie waren monate- oder gar jahrelang inhaftiert, ohne zu wissen, wann ihnen der Prozess gemacht würde, und warteten darauf, dass ihre Familien ihnen Essen und Wasser bringen.

Dieser Besuch war der Impuls für ihre als Langzeitprojekt angelegte Serie as Eternos ?

Ja, nach dem Besuch war es mir unangenehm, von diesen Zuständen nichts gewusst zu haben – wie so viele andere Venezolaner. Also beschloss ich, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. In den Haftzentren liegt eine der Wurzeln der venezolanischen Krise: Der Strafvollzug steht nicht auf Seiten der Bürger und schon gar nicht auf Seiten der Bedürftigsten: der Frauen.

Wie haben Sie so berührende Bilder, so viel Nähe erreicht?

Zuerst musste ich Vertrauen aufbauen und mir die Zeit für Gespräche mit den Frauen nehmen und ihre Geschichten anhören. Ich durfte sie nicht im Unklaren über meine Absichten lassen: mich durch Fotografie und Interviews für ihre Rechte einzusetzen. Wenn sie mir ihre Geschichten erzählten, berichtete ich auch über meine eigenen Erfahrungen. Ich habe für sie gesungen. Erst als wir uns vertrauten, kam die Kamera ins Spiel. In einem Zeitraum von drei Jahren habe ich die Zentren mehrmals besucht.

Sie haben viel Zeit investiert. Ist Zeit der Schlüssel zum Vertrauen und damit auch die Grundlage für ein gutes Bild?

Ja. Einmal habe ich so viel Zeit mit ihnen verbracht, dass der Wärter nicht kam, als ich nach ihm rief, damit er mir die Zelle öffnet: Er hatte vergessen, dass ich da war! Ich beschloss, weiter Bilder von den Frauen zu machen, bis die Wachen sich an mich erinnerten. Die intimen Momente entstanden, als die Frauen merkten, dass ich keine Angst davor hatte, bei ihnen zu bleiben. Wir behandelten uns gegenseitig immer mit Respekt. Das ist die Basis für eine gute Nahaufnahme.

Wo haben Sie die Grenze zwischen Arbeit und menschlichem Mitgefühl gezogen?

Warum hätte ich eine Grenze ziehen sollen? Jedes Mal, wenn ich ein Haftzentrum besuchte, fühlte ich mich verletzlich, empathisch und ehrlich. Und wenn ich es wieder verließ, fühlte ich Wut und Frustration. Die Ehrlichkeit half mir, Kontakt aufzunehmen. Und der Kontakt ermöglichte die Intimität, die in den Aufnahmen widerhallt. Die Verletzlichkeit schlug sich in meiner Fotografie nieder. Ich möchte dieses Projekt weiterverfolgen, bis sich die Situation ändert, mehr Zentren besuchen, mehr Frauen befragen und bei einigen ihre Rückkehr in die Gesellschaft nach der Entlassung dokumentieren.

Wie sind Sie mental damit umgegangen, die Frauen zurücklassen zu müssen?

Jedes Mal, wenn ich ein Haftzentrum verlasse, bin ich sehr traurig, frustriert und wütend. Diese Gefühle erreichen mein Herz, das mehr tun will. Die größte Motivation für meiner Arbeit an Días Eternos liegt in der Hoffnung, dass meine Aufnahmen dazu beitragen können, dass man begreift, wie unglaublich unfair und korrupt das Strafrecht in Venezuela ist.

Die Zellen waren sehr eng und die Beleuchtung schlecht. Wie konnten Sie mit der Leica Q unter derart extremen Bedingungen arbeiten?

Der Leica Q ist absolut das Beste, sie funktionierte perfekt in diesen Umgebungen! Sie ist ziemlich klein und die Wachen dachten manchmal, es handele sich um eine alte analoge Kamera. Und sie ist leise und schnell. Für die Arbeit auf engstem Raum ist die Q sehr empfehlenswert, weil sie selbst klein ist und da sie so leise ist, trägt sie dazu bei, „im Moment zu verschwinden“. Und schließlich funktioniert die Kamera bei schlechten Lichtverhältnissen sehr gut. In den extremsten Situationen konnte ich bei Blende 1,7 den ISO-Wert auf 12.500 setzen – mit recht guten Ergebnissen. Ich kann die Makrofunktion nutzen, um Nahaufnahmen oder Porträts zu machen. Das karibische Licht Venezuelas und Leicas fotografische Qualität sind eine perfekte Kombination, um den Kontrast von Licht und Schatten zu steigern.

Ein umfassendes Portfolio aus Ana María Arévalos Langzeitprojekt Días Eternos finden Sie in der LFI 3/2019.

 

Geboren 1988 in Caracas, Venezuela, studierte Ana María Arévalo Fotografie an der L’ETPA, école supérieure de photographie in Toulouse, Frankreich. Arévalo erschafft mit ihrer Fotografie visuelle Erzählungen von hohem dokumentarischem Wert. Für ihre Arbeit an Días Eternos erhielt sie ein Stipendium vom Pulitzer Center on Crisis Reporting. Die Serie ist bereits im „Lens Blog“ der „New York Times“ erschienen. Arévalos Arbeiten waren unter anderem in „Dummy“, „Wordt Vervolgd“, „Libération“, „TalCual“, „El País Semanal“ und im „Spiegel“ zu sehen.

Wenn Sie mehr Fotografie von Ana María Arevalo sehen möchten, besuchen Sie ihre Website.

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