Sie schieben Kinderwagen, tragen ihre Kinder auf dem Arm, posieren in weiblicher Eintracht für die Kamera: Die Serie „Mütter, Töchter, Schwestern“ fasst Arbeiten von Tom Wood von Anfang der 70er- bis Ende der 90er-Jahre zusammen. Die Aufnahmen entstanden auf den Straßen und in den Suburbs von Liverpool. Wir sprachen mit dem Fotografen über die Vorteile des Mediums und den Wunsch, einen Schritt kürzerzutreten.

Sie sind ausgebildeter Maler. Wie kamen Sie zur Fotografie?

Am Ende meines ersten Studienjahrs erhielt ich eine Kamera, um zu lernen, wie man seine Bilder aufnimmt und visuelle Notizen für Bilder macht. Zuvor, als Schüler, hatte ich schon Fotografien und Postkarten gesammelt, die ich in verschiedenen Gruppen organisierte. Ich habe viele Bilder von Soldaten, Kirchen und Landschaften – und von Müttern und Töchtern. Ich sammelte sie in Alben und überlegte, welches Bild zu einem anderen passt und ob das Bild gut genug war.

Warum fotografieren Sie lieber?

Im College habe ich ein paar Jahre lang gemalt, während ich in meiner Freizeit fotografiert habe – abends und am Wochenende. Am Ende gewann die Fotografie die Oberhand. Ich studierte auch Film und drehte kleine Filme, aber die Fotografie fiel mir richtig leicht. Die Aufnahme der beiden Mädchen vor der Herrentoilette war auf meinem zweiten Film! Mir wurde erst nach und nach klar, wie komplex Fotografie in Wahrheit ist.

Warum haben Sie sich auf Frauen konzentriert?

Wenn man auf der Straße fotografiert, ist das unausweichlich. Besonders in Liverpool, dort scheint es keine Männer zu geben, nur Frauen, die mit Kindern sprechen. Ich ging jeden Samstagmorgen auf den Markt und am Nachmittag ins Fußballstadion – dort sind die Männer. Jahrelang habe ich das so gemacht.

Gibt es ein Foto mit einer besonderen Bedeutung für Sie?

Die besten sind wie Geschenke – Geschenke, die mir Frauen gemacht haben haben oder die ich mir nehmen durfte.

Wie kommt man den Menschen nahe?

Indem man ein ganz normaler Typ ist. Ich hatte immer einen Rucksack mit Abzügen von Aufnahmen dabei, die ich auf dem Markt gemacht hatte. Ich verschenkte sie in der Hoffnung, auf diese Weise Aufträge zu erhalten, und tatsächlich, die Leute vertrauten mir: „Mein Jack heiratet im Juli, würdest du die Fotos machen?“ und ich sagte „Okay!“ So funktioniert es.

Hatten Sie bei Ihren Aufnahmen auf dem Markt ein Buch im Hinterkopf?

Nein, ich habe verschiedene Projekte fotografiert. Alles wird immer zu einem Projekt: Ich überquere mit der Fähre den Fluss – das wird zu einem Projekt. Ich fahre mit dem Bus – das wird zu einem Projekt. Ich bringe meine Kinder in die Kneipe – das wird zu einem Projekt. Auch die „Nachtclub“-Serie – ich war mit Freunden dort und es wurde zu einem Projekt. 2001 ging ich mit der „Photieman“-Serie im Gepäck nach Arles und versuchte dort, das Interesse der Menschen zu wecken. Inzwischen kommen die Verlage zu mir.

Wie lange arbeiten Sie schon mit einer Leica?
Ich benutzte eine Leica, als ich 1977 in einem Butlin’s Holiday Camp arbeitete und „Happy Snaps“ machte – mein erstes, aber unveröffentlichtes Fotobuch. Damals konnte ich mir selbst keine Leica leisten. Es handelte sich um eine alte M2 mit einem 35-mm-Objektiv – so abgenutzt, dass sie aussah, als wäre sie mit Drahtwolle gereinigt worden. Heute schätze ich die CL wegen ihres leisen Verschlusses. In ruhigen Situationen bevorzuge ich diese Kamera, an der ich meine alten M-Objektive verwende. Bei Mittel- und Großformatarbeiten verwende ich immer noch Film!

Welche Projekte wollen Sie demnächst angehen?

Ich werde älter und arbeite seit langem an einer Serie über alte Menschen. Für eine weitere Serie mache ich Panorama-Aufnahmen von Innenräumen und Häusern, die Serie beschäftigt mich ebenfalls schon seit vielen Jahren. Ich sichte auch meine Videos, digitalisiere viel und versuche, sie zu verstehen. Ich plane eine mehrjährige Auszeit, in der ich nur noch fotografieren möchte – keine Ausstellungen, keine Bücher, keine Deadlines. Je mehr Bücher man macht, desto mehr Ausstellungen gibt es und das alles braucht Zeit. Ich mache alles selbst und es ist zu viel geworden. Also werde ich einen Schritt kürzertreten und mich auf das Fotografieren konzentrieren.

Die Ausstellung Mütter, Töchter, Schwestern bleibt bis zum 25. August 2019 im Rahmen des Festivals Les Rencontres d’Arles geöffnet. Danach wird sie vom 22. November 2019 bis zum 5. Januar 2020 beim Jimei x Arles International Photography Festival in Xiamen zu sehen sein.

Tom Wood, 1951 in Irland geboren, studierte Kunst am Leicester Polytechnic, bevor er sich der Fotografie zuwandte. In Liverpool und Wallasey hielt er Vorträge über Fotografie und bildende Kunst. Heute lebt er in Wales, wo er sich auf die Fotografie und die Pflege seines Archivs konzentriert. Sein erstes Buch, Looking for Love, erschien 1989 und zeigt Menschen in einem Nachtclub in New Brighton in Merseyside. Es folgten zahlreiche Bücher, darunter Mères, Filles, Sœurs im Jahr 2019, erschienen bei Editions Textuel.