Sie haben eine Schwäche für Oldtimer und ein bestimmtes Gespür für Stil: junge Italiener, die sich Biscioni Torino nennen. Die Gruppe trifft sich regelmäßig in der Innenstadt von Turin. Der Porträt- und Automobilfotograf Davide de Martis verschmilzt beide Sujets auf kunstvolle Weise.

Sie verstehen sich als Porträt- und Automobilfotograf. Was fasziniert Sie an Autos?

Ich finde meinen inneren Frieden, wenn ich Autos fotografiere. Ich kann mich als Fotograf völlig frei ausdrücken, und ich kann zwischen verschiedenen Genres, die ich schätze, wechseln: Reportage, Porträt, Landschaft und das alles in meiner eigenen fotografischen Sprache. Als Fotograf kann ich mir mehr gar nicht wünschen. Es ist das perfekte Feld, um in beiden „Teams“ zu spielen, für persönliche und für Auftragsarbeiten.

Wie lernt man, Automobile zu fotografieren?

Ich war acht Jahre alt, als ich die Kamera meines Großvaters entdeckte, und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich fotografierte buchstäblich alles, ohne dass ich eine Ahnung davon hatte, was ich da eigentlich machte – bis mir jemand die Bedeutung von Verschlusszeit und Blende erklärte. Dass ich mit der Kamera eine Bewegung einfrieren konnte – es war Magie für mich. Ich habe Autos immer geliebt. Mein Vater nahm früher gelegentlich als Kopilot an Rallyes teil und wir hatten viele Aufnahmen von solchen Rennen zu Hause. Am Anfang meiner Karriere hatte ich die Möglichkeit, Autos in einem Studio zu fotografieren, aber ich lehnte ab. Das war nicht mein Weg. Ich habe immer so fotografiert, wie ich es wollte, und gelegentlich habe ich einige Aufnahmen in meinem Blog veröffentlicht, bis es jemand bemerkt hat. Ich lernte, Autos „natürlich“ zu fotografieren als Kombination meiner Liebe zur Fotografie und zum Automobil.

 

Was ist für Sie das Wichtigste beim Fotografieren von Automobilen?

Ich fotografiere Autos wie ein Naturfotograf wilde Tiere in ihrem Lebensraum. Ich behandle sie mit allem Respekt, den sie verdienen. Zumeist handelt es sich um Oldtimer, Fahrzeuge, die zu ihrer Zeit Geschichte geschrieben haben und immer noch einzigartige Designobjekte sind. Normalerweise fotografiere ich jedes kleine Detail, dass die Designer entworfen haben. Manchmal dauert es lange, bis ich anfange zu fotografieren. Ich muss mich im Design verlieren und jeden Winkel einzeln bewundern. Ich versuche das Design durch helles, natürliches Licht zu betonen. Das ist meine Art, dem Team von Menschen Respekt zu erweisen, die ein solches Kunstwerk geschaffen haben.

Welchen Namen haben Sie diesem Projekt gegeben?

Es heißt „Biscioni Torino“. Das ist der Name einer Gruppe echter Alfa-Romeo-Enthusiasten in Turin. Das sind keine gewöhnlichen „Sunday Car Meeting“-Besucher, sondern Typen, die 2019 so leben, als schrieben wir das Jahr 1970. Ein Biscione zu sein, ist ihr Lebensstil. Sie sagen, dass Turin die perfekte Umgebung ist, um jedes Treffen wie in einem Kurzfilm aus den 1970er-Jahren zu verbringen: Die Protagonisten sind ihre Autos, die Fahrer sind die Schauspieler und ihre gemeinsame Leidenschaft führt die Regie.

Welche Kameras haben Sie verwendet?

In meiner Fototasche befinden sich zwei Kameras: die Leica Q und die Leica SL. Die Q ist die superschnellste Tarnkappenkamera, für die sich in jeder Tasche noch ein Plätzchen findet. Ein echtes Kraftpaket, mit dem Sie mit jedem Blitz bei kürzesten Belichtungszeiten fotografieren können. Meine Lieblingskamera ist jedoch die SL – ohne jede Einschränkung. Ich schätze das Design, die Qualität ihrer Konstruktion, den Umstand, dass es sich um eine spiegellose Kamera handelt, die Qualität der Systemobjektive und die hohe Qualität des Sensors. Fotografieren mit der Leica SL ist schnell und direkt: Was man durch den Sucher sieht, ist genau das, was man bekommt – man muss keinen Blick aufs Display werfen.

Fotografieren Sie lieber Autos als Menschen?

Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Porträt eines Autos und dem Porträt einer Person. Ein Auto hat Linien, um sich auszudrücken. Das Auto hat einen Ausdruck, den sein Designer entworfen hat – genauso wie wir einen Gesichtsausdruck, etwa ein Lächeln, haben. Nehmen wir an, dass die Frontansicht eines Autos oder die Fahrzeugnase einem lächelnden Gesicht entsprächen. Wenn ich eine Person porträtiere, versuche ich in der Regel, sie zum Lachen zu bringen, um eine Beziehung herzustellen. Normalerweise bewege ich mich dabei kaum. Doch beim Fotografieren von Autos gibt es kein Geplänkel zwischen mir und dem Motiv. Wenn ich den Ausdruck des Autos unterstreichen will, muss ich mich bewegen, damit ich den richtigen Blickwinkel finde, um sein Lächeln herauszukitzeln.

Wer sind Ihre fotografischen Vorbilder?

Ich wollte schon immer authentisch, ich selbst sein, als Person und als Fotograf. Um diese Integrität zu schützen, kann die Suche nach neuen Ideen woanders sehr hilfreich sein, aber letztlich liegt die allererste Quelle der Inspiration in uns selbst. Dennoch habe ich mich auch von anderen visuellen Kunstformen inspirieren lassen, vor allem von Gemälden, Filmen und Comics. Im Scherz sage ich oft, mein Vorbild sei Peter Parker. Ich hatte wirklich nie einen Lieblingsfotografen, sondern viele aus ganz anderen Genres der Fotografie als meinen. Wenn ich jedoch Namen nennen müsste, würde ich ohne zu zögern die italienischen Künstler Luigi Ghirri und Gabriele Basilico nennen.

Sie leiten auch Kurse an der Leica Akademie. Mit welchen Themen können die Teilnehmer bei Ihnen rechnen?

Ich liebe es zu unterrichten. Mein Wissen an andere weitergeben zu können, ist etwas ganz Besonderes, und dafür bin ich sehr dankbar. Seit drei Jahren gebe ich in Turin zwei Kurse, den Grund- und den Aufbaukurs Fotografie. In diesem Akademiejahr halte ich zusätzlich meinen ersten Workshop für Autoporträts, „Slow Shutter, Fast Cars. Fotografare Auto“. Ich bin sehr gespannt auf die zwei Tage, während derer ich meine Herangehensweise an die Fotografie demonstrieren werde. Es ist ein Workshop, der offen für alle ist, nicht nur für Sport- oder Automobilfotografen. Was Sie in meinem Workshop lernen, gilt für jedes fotografische Genre von der Porträt- bis zur Landschaftsfotografie.

Um mehr über die Fotografie von Davide de Martis zu erfahren, besuchen Sie seine Website.

Sein Workshop an der Leica Akademie, Slow Shutter, Fast Cars. Fotografare Auto, findet am 5. und 6. Oktober 2019 in Turin statt.