Es gibt nur wenige Fotografen, die auf ein Lebenswerk zurückblicken können, das fast sieben Jahrzehnte umfasst: Walter Vogel ist einer der größten deutschen Fotografen der analogen Ära. Die Vielfalt seines Themenrepertoires zeigt, dass er ein aufmerksamer Beobachter und sensibler Chronist seiner Zeit ist; jeder einzelne seiner Abzüge zeigt die Präzision und Leidenschaft, mit der er in der Dunkelkammer arbeitet. Vogel hat eine beträchtliche Zahl von Fotobüchern veröffentlicht. Darüber hinaus erscheinen seine Fotografien regelmäßig in deutschen Feuilletons. Ob im Ruhrgebiet, im Zirkus, auf Travestiebühnen rund um die Welt oder in den Kaffeehäusern Europas – Vogel hat sich als anspruchsvoller Reisefotograf erwiesen. Mit seinen Leica Kameras hat er ein vielschichtiges Werk fotografiert und Bilder in ganz unterschiedlichen Milieus aufgenommen. Wir sprachen mit dem Fotografen – der kürzlich seinen 87. Geburtstag feiern konnte – anlässlich seiner Aufnahme in die Leica Hall of Fame.

 

Welche Ihrer Serien ist Ihnen, im Nachhinein betrachtet, die wichtigste?

Es wäre unfair von mir, mich für eine bestimmte Serie zu entscheiden, da ich alle meine wichtigen Themen mit der gleichen Energie und Kraft, mit Freude oder Mitgefühl angegangen bin.

Allgemeiner gefragt: Was ist Ihnen bei der Fotografie besonders wichtig?

Ich betrachte mich als jemand, der rückwärts schaut, und ich sehe meine Fotografie als die ideale Erinnerung. Es ist mir wichtig, dass ihr Wert nicht an aktuellen oder politischen Fragen oder an einem prominenten Ort geschweige denn einer prominenten Person gemessen wird.

Was sehen Sie im Nachhinein als die größte Herausforderung bei Ihrer Arbeit?

Die größte Herausforderung war immer, Geld damit zu verdienen. Was meine persönlichen Projekte betrifft, waren es die Auseinandersetzungen mit den Verlagen und darauf zu achten, dass sich jeder meiner Buchentwürfe zu einem anspruchsvollen Werk auswächst.

Was haben Sie selbst durch Ihre Arbeit erfahren?

Das Verständnis, dass der Fotograf selbst seine Motive in der Dunkelkammer entwickeln muss, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Jemandem dabei über die Schulter zu schauen, reicht nicht – nur der Fotograf selbst kann das Gefühl aktivieren, das ihn überhaupt zum Fotografieren bewogen hat.

Haben Sie im Laufe der Jahre mehr Geduld für sich aufgebracht oder ist der Wunsch nach Perfektion gewachsen?

Leider bin ich kritischer geworden, wenn ich mir meine Abzüge ansehe. Ich sage leider, weil die Konzentration und Stärke der Anfangsjahre nur noch in Ausnahmefällen erreicht wird.

Warum bevorzugen Sie Schwarz-Weiß-Fotografie?

Zunächst einmal existiert in meiner Denkweise keine Farbe. Darüber hinaus waren es ausschließlich die Schwarz-Weiß-Arbeiten meiner großen Vorbilder – zuerst Werner Bischof und Henri Cartier-Bresson, später Irving Penn, Richard Avedon, Eugène Atget und Brassaï –, die mich faszinierten und motivierten.

Mit welchen Leica Kameras haben Sie gearbeitet? Welche Rolle spielt die Kamera bei Ihrer Arbeit?

Ich begann 1954 mit der Leica IIf zu fotografieren, gefolgt von einer M3, einer M2, einer Leicaflex SL, einer M5 und, bis heute, einer M6. Die Kamera war immer die treibende Kraft, die mich mitgerissen hat.

Was fotografieren Sie heute am liebsten?

Heute, im Alter von 87 Jahren und nach fast 70 Jahren Fotografie, nehme ich mir die Zeit, mich zurückzulehnen und den Markt auszuloten. Meistens möchte ich in die Milieus zurückkehren und die Welt der kleinen Leute fotografieren. Aber die Kraft fehlt und es besteht die Gefahr der Wiederholung.

Was bedeutet es Ihnen, in die Leica Hall of Fame aufgenommen zu werden?

Alles! Möglicherweise ein Schwanengesang, der nicht zu einem passenderen Zeitpunkt oder an einem anderen Ort hätte kommen können. Die Ehre geht vor allem an meine Leica, der ich für alles zu danken habe. Seit 1969 fühle ich mich der damaligen Werbeabteilung und der Firma Leitz eng verbunden. Das gilt auch heute noch, nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit der Leica Galerie Frankfurt.

 

Wir gratulieren und wünschen Ihnen alles Gute!

Walter Vogel wurde am 18. Oktober 1932 in Düsseldorf geboren. Er absolvierte zunächst eine Ausbildung und arbeitete als Maschinenbauingenieur. 1963 begann er ein Fotostudium bei Otto Steinert an der Folkwangschule, das er 1968 abschloss. Danach arbeitete er als freiberuflicher Fotojournalist in Düsseldorf. Seine Aufnahmen wurden 1954 erstmals in Zeitschriften veröffentlicht, 1964 erhielt er einen World Press Photo Award. Von 1977 bis 2002 hatte Vogel ein Atelier in Frankfurt, kehrte aber später nach Düsseldorf zurück. Im Jahr 2016 vermachte Vogel sein Werk der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unter der Leitung der bpk (Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte).

Die wichtigsten Publikationen von Walter Vogel:
Ewa Eva. Fotografien 1970–2014 (Kerber, Bielefeld 2016);

Deutschland. Die frühen Jahre 1951–1969 (Brandstätter, Vienna 2002);

Die Schönen der Nacht (Brandstätter, Vienna 1994);

Espresso (Brandstätter, Vienna 1993).

 

In der LFI 08.2019  ist ein ausgedehntes Portfolio mit einigen seiner besten Motive aus fünf Jahrzehnten zu finden.

 

Die Ausstellung zur Aufnahme von Walter Vogel in die Leica Hall of Fame läuft vom 15. November 2019 bis zum 27. Januar 2020 in der Leica Galerie Wetzlar..

 

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