Es ist bekannt, dass Downtown L.A. seine harte Seite hat – es sind nicht nur Prominente, die Reichen und Schönen, die den Walk of Fame entlang schlendern. Ausgerüstet mit einer Leica M Monochrom (Typ 246), einer M10 und unterschiedlichen Objektiven drehte Bil Brown in den frühen Morgenstunden, wenn Obdachlose, Gesetzlose und verlorene Partygänger unterwegs sind, und zwölf Stunden später seine Runden in der Innenstadt. Das Konzept: immer genau um 3 Uhr morgens und nachmittags um 15 Uhr zu fotografieren.

Ihre Serie 3 Uhr/15 Uhr handelt vom Leben in der Innenstadt von Los Angeles. Die Aufnahmen sind sehr dicht, sehr intensiv und sehr kontrastreich in Hinsicht auf den Inhalt und den fotografischen Stil. Was war die Idee hinter der Serie?
Brown: In den späten 1990er-Jahren gehörte ich einer Gruppe von Dichtern an, die das sogenannte 3.15-Uhr-Experiment durchführten. Einen Monat im Jahr ließen wir alles stehen und liegen, um genau um 3.15 und 15.15 Uhr ein Gedicht zu schreiben, an dem dann nicht mehr gefeilt wurde. Diese Aktion fand weltweit statt. Was ich mit meiner Serie 3 Uhr/15 Uhr einfangen und gesellschaftlich kommentieren wollte, war meine Nachbarschaft in der Innenstadt von Los Angeles: Wie sie war und ist, das, was sich direkt vor meinen Augen abspielt. Meistens wurden die Bilder genau um 3 und 15 Uhr aufgenommen. Buchstäblich das, was zu diesem Zeitpunkt direkt vor mir lag. Um das ursprüngliche Experiment zu würdigen, fotografierte ich gelegentlich ein paar Minuten später, aber höchstens eine Viertelstunde. Manchmal war ich, ehrlich gesagt ,schockiert über das, was ich sah, über das, woran wir jeden Tag beschleunigten Schritts auf dem Weg dorthin vorbeieilen, was wir für unser „Zuhause“ halten.

Wann haben Sie die Serie aufgenommen?
Die Serie entstand täglich von November 2019 bis Februar 2020. Das war zu Beginn eines Wahlzyklus, sodass viel über die Situation der Obdachlosen in Los Angeles gesprochen wurde. Als das Coronavirus auf den Plan trat und in China ganze Städte abgeriegelt wurden, dachte ich darüber nach, was passieren würde, wenn und wann es die Innenstadt von L.A. treffen würde. Viele der Obdachlosen haben nicht die medizinische Versorgung, die sie brauchen; es gibt viele psychische Erkrankungen, und ich fragte mich, was getan werden könnte, um ihnen zu helfen. Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, aber niemand hat wirklich den verlorenen Kampf und die Gleichgültigkeit fotografiert. Man hat die Obdachlosen fotografiert, den städtischen Verfall, man hat das Stadtzentrum fotografiert und die Menschen, die zur Arbeit gehen – und den Überfluss. All das zusammengenommen erzählt eine ganz andere Geschichte. Eine, die erzählt werden muss.

Es ist eine Wärme in Ihren Bildern; sie haben einen analogen Touch, obwohl sie digital fotografiert sind. Erklären Sie uns bitte, wie Sie vorgegangen sind.
Ehrlich gesagt ist es genauso, wie ich es sehe. Und es liegt an den Entscheidungen, die ich hinsichtlich der Ausrüstung getroffen habe, und daran, wie ich sie benutze. Ich habe eine ganze Reihe neuerer und älterer Objektive, die ich bei einigen Brennweiten verwende. In der Regel verwende ich ähnliche Einstellungen wie bei den von mir bevorzugten Filmen, kurze Verschlusszeiten und hohe ISO-Werte, auch in der grellen kalifornischen Sonne. Ich will Schatten einfangen, entsprechend sind meine Einstellungen. Wenn ich mit einer digitalen Farbkamera fotografiere, verwende ich sie normalerweise im Monochrom-Modus. Bei einer M Monochrom brauche ich mich darum nicht zu kümmern. Die Belichtung orientiert sich an den hellsten Elementen einer Szene und ich blende ab, um sie zu zeigen. Ich habe nichts gegen digitales Rauschen oder Körnigkeit. Mir wurde einmal gesagt, dass unsere Augen zuerst auf das Rauschen oder die Körnigkeit schauen und dann auf den Kontrast. Habe ich nur den Bruchteil einer Sekunde, ist es einfacher, wenn ich nichts zu ändern brauche.

Welche Kameras und Objektive haben Sie für die Serie verwendet?
Eine Leica M10 und eine Leica M Monochrom (Typ 246), zwischen denen ich wechseln wollte. An der M10 verwendete ich das Summaron-M 1:5.6/28 und an der Monochrom ein adaptiertes 35er-Summaron mit Schraubgewinde oder ein Summicron-M 1:2/28 ASPH., gelegentlich, wenn ich einen engeren Blickwinkel benötigte, auch ein APO-Summicron-M 1:2/50 ASPH.

Was hat Ihnen an den Kameras besonders gefallen? Warum haben Sie sich für diese Objektive entschieden?
Die Kameras der M-Serie sind einfach und elegant, direkt und präzise. Eine M ist ein Werkzeug, mit dem Sie einfach fotografieren können, auf Ihre Art und Weise, und nichts kommt Ihnen in die Quere. Ich kann jede, aber auch jede M nehmen, von der M3 bis zur M10, und weiß genau, was ich tue. Bei diesem Projekt passten die M Monochrom und die M10 gut zusammen. Und wenn ich ein wenig Bewegtbild brauchte, musste ich nicht meine SL oder RED mitnehmen, denn die Monochrom Typ 246 kann Video in nativem Schwarzweiß aufnehmen. Das APO-Summicron ist natürlich das modernste Objektiv und bei allen Blendenwerten etwas ganz Besonderes! Es ist wie eine Geheimwaffe! Das 28er-Summaron und das, wie ich glaube, 70 Jahre alte 35er-Summaron bilden nur eine kleine „Beule“ am Kameragehäuse, wodurch die Kamera noch kleiner wird, und sie haben die größeren Winkel, um mehr von einer Szene festzuhalten.

Über welche aktuellen, neuen Aufgaben oder zukünftigen Projekte möchten Sie sprechen?
Ich arbeite an zwei Büchern gleichzeitig. Eines davon ist Black Book, mit Arbeiten aus dem letzten Jahrzehnt, und ist aus meiner Sicht eher ein Best of. Der andere Titel steht noch nicht fest. Es gibt auch ein paar neue Projekte mit zwei Zeitschriften, die längere Strecken bringen wollen, einen Neustart meiner Zeitschrift und meine Filmprojekte. Außerdem werde ich die 3AM/3PM-Serie wahrscheinlich auf andere Orte ausweiten.

Über Bil Brown

Geboren 1969 in Louisville, Kentucky, machte Brown einen Bachelor und Master of Fine Arts in Schreiben und Poetik an der Jack-Kerouac-Schule der Naropa-Universität. Im Jahr 2010 gründete er die Zeitschrift Black and Grey. Er schreibt redaktionelle Beiträge für Magazine und Zeitschriften wie „LA Weekly“, „LA Times“, „The Sunday Times“, „Le Monde“, „Mala Fronta DNES“, „Purple“, „Flaunt“ und „Paper“. Brown ist der Gründer und Präsident der Kreativagentur Ninesixtynine. Er war Mitbegründer der Prager Schule für Poetik, die Stipendien des Rockefeller Centers, dem National Endowment for the Arts und Arts International erhielt. Sie können Bil Brown unter Instagram @bilbrown folgen oder seine Website unter www.bilbrown.com besuchen.