Reisfelder und Hochgeschwindigkeitszüge, Marktstände und Megacitys, Straßenszenen und Absurditäten – der französische Fotograf Jean-Luc Feixa reiste in China durch ein Land, das von faszinierenden Widersprüchen geprägt ist. Das Ergebnis war Hexie Hao, eine Schwarzweiß-Serie, die grafisch klar und poetisch zugleich ist. Wir sprachen mit Feixa über eine Reise zwischen Traum und Wirklichkeit.

Grüne Reisterrassen, blinkende Werbung, überwältigende Megacitys – ich stelle mir China als ein sehr farbenfrohes, eher schillerndes Land vor. Warum haben Sie sich entschieden, in Schwarzweiß zu fotografieren?
Das stimmt, Chinas Städte sind voller Neonlichter und die Natur ist voll wunderschöner Farben. Dennoch habe ich mich für Schwarzweiß entschieden, weil ich eine Art Reisetagebuch schaffen wollte, das eine Reise zwischen Traum und Wirklichkeit offenbart. Ich wollte keinen dokumentarischen, in der Realität verankerten Ansatz wählen. In diesem Fall hätte ich mich für Farbe entschieden, aber Schwarzweiß kam meinem Wunsch nach einer poetischeren Form entgegen. Wenn man sich die Fotos ansieht, verraten einige Elemente Modernität, aber viele sind zeitlos.

In Ihrer Mappe sieht man auch Farbfotos. Welche Art von Fotografie bevorzugen Sie?
Mein Lieblingsmedium ist Schwarzweiß. Wie bei Hexie Hao verwende ich es gern, um Kurzgeschichten zu erzählen, Wanderungen zwischen Fiktion oder Traum und Realität. Ich finde, dass Schwarzweiß dafür sehr gut geeignet ist, weil man sich damit automatisch von seiner Umgebung löst. Außerdem verwende ich es nur in der analogen Fotografie. Ich entwickle also meine Filme und lasse mir Zeit; es ist ein ganzes Universum der Kreativität, das ich liebe. Manchmal verwende ich auch Farbe, aber nur in digitaler Form und mehr in einem dokumentarischen und beschreibenden Ansatz, der in meinem täglichen Leben verankert ist. Das war etwa bei meinem letzten Buch der Fall, Strange Things Behind Belgian Windows, veröffentlicht bei Luster Publishing.

Ihre Serie Hexie Hao ist nach dem Hochgeschwindigkeitszug benannt, der zwischen Peking und Shanghai verkehrt. Wie reist es sich in diesem Zug?
Es war ein echtes Abenteuer! Ich blieb mit meiner Freundin einen Monat lang in China. Wir reisten in einem ziemlich hektischen Tempo durch mehrere Zeitzonen und blieben maximal drei Nächte in einer Stadt oder an einem Ort. In den berühmten Zügen haben wir viel Zeit verbracht, darunter eine elfstündige Fahrt zwischen Guilin und Xi’an. Dieser Zug war ganz großartig, beunruhigend modern, und es gab viel zu sehen: All diese Familien, die an jeder Haltestelle einsteigen, Leute, die dort schlafen, essen, sich für ein paar Stunden treffen. Aber für mein Projekt hat mich die Welt außerhalb der Züge interessiert, trotzdem war es natürlich toll, das Land in dieser Geschwindigkeit und in dieser Atmosphäre durchqueren zu können. Wenn ich zurückdenke, erinnert mich unsere Reise in aller Bescheidenheit an Raymond Depardons ausgezeichnetes Buch Le tour du monde en 14 jours (In 14 Tagen durch die Welt), das Fotos von jedem seiner Zwischenstopps enthält.

Hexie Hao bedeutet auch „Harmonie“. Und ja, Ihre Bilder zeigen oft eine wunderbare Harmonie zwischen der Architektur, den städtischen Strukturen und den Menschen. Ist China ein harmonisches Land?
Ich war von China fasziniert. Als Erstes war ich aber fasziniert von meiner Unkenntnis des Landes, seiner Geschichte, Kultur und von meinen Vorurteilen. Natürlich bin ich nur einen Monat geblieben und behaupte nicht, ein Experte zu sein, aber was ich sah, war ziemlich beunruhigend, weil ich erwartete, ein ganz anderes Land zu sehen. Zum Beispiel war ich überrascht, eine so reiche und prächtige Natur zu entdecken. Das ist zum Beispiel entlang des Flusses Li mit seinen in Wolken getauchten „Zuckerhüten“ der Fall, den berühmten Karstformationen. Ich war auch überrascht über die große Kluft zwischen Tradition und Moderne. Wie sich zwei gegensätzliche Welten begegnen, sich kreuzen und einen Dialog führen. Das Land entwickelt sich in einem unglaublichen Tempo, man spürt diese Dynamik wirklich. Ich weiß nicht, ob China ein harmonisches Land ist, aber nehmen wir an, dass die extreme Schönheit und die ruhige Kraft der Natur die Geschwindigkeit der Entwicklung und den Wahnsinn der Städte auszugleichen scheinen. Außerdem waren die architektonischen oder natürlichen Rundungen perfekt für harmonisch wirkende Kompositionen, etwa für Mutter und Kind vor einem See in der Nähe von Guilin.

Was hat Sie beim Reisen durch China am meisten fasziniert?
Durch Städte mit Millionen Einwohnern zu fahren – Städte mit Namen, die in Europa völlig unbekannt sind. Viele von ihnen habe ich mit dem Zug durchquert. Übrigens ist mein erstes Bild, das des Mädchens, das aus dem Zugfenster schaut, in der Nähe von Peking entstanden. Es war schwindelerregend, diese Tausende von schwarzen Rahmen zu sehen, hinter denen von weitem eine Silhouette zu erkennen war.

Wie reagierten die Menschen, als sie merkten, dass sie fotografiert werden?
Sehr gut. Ich hatte nie irgendwelche Probleme. Das ist auch der Vorteil der Leica M6. Sie ist sehr diskret und ich sah wahrscheinlich völlig altmodisch aus im Vergleich zu all den anderen Westlern mit ihren großen Spiegelreflexkameras …

Ich stelle mir China als ein Land vor, in dem es sehr viel zu fotografieren gibt. Glauben Sie, Sie haben ein Foto verpasst?
Ich habe einige Fotos verpasst. Vor allem eines, während eines dantesken Sturms, was ich sehr bedauere. Die Umgebung war wunderschön, der Sturm fegte über ein Reisfeld, aber die Person, die auf der Terrasse arbeitete, bemerkte sofort, dass ich fotografieren wollte, und der Zauber verschwand. Ich verpasste auch eine schöne Szene mit einigen verheirateten Paaren in einem Restaurant in Shanghai. Aber das gehört zum Spiel dazu. Um nicht allzu viele Frustrationen dieser Art zu erleben, fotografierte ich keine Märkte oder überbevölkerte Orte, um nicht von der Menge ertränkt zu werden und um zu vermeiden, dass mir schwindelig wird. Ich bin kein Massen-Fotograf. Deshalb nahm ich mir lieber die Zeit, mich um die Bilder zu kümmern und einzelne Menschen an ruhigeren Orten aufzunehmen.

Wie beschreiben Sie Ihren fotografischen Ansatz?
Bei Hexie Hao habe ich mich dafür entschieden, mir kein Thema vorzugeben und nur mit einer vagen Idee aufzubrechen. Meine Reise war außergewöhnlich, und ich wollte, dass meine Fotos meinen Gemütszustand widerspiegeln; ich wollte, dass meine Kamera eine direkte Verlängerung meines Auges ist und das fotografiert, was mich anspricht. Ob es nun eine schöne grafische Komposition oder ein Gasmaskenspender war. Nach meiner Rückkehr nach Brüssel begann ich nach einigen Wochen, mir die Fotos anzusehen und die Ergebnisse zu ordnen. Aber vor Ort war ich von jeglichem Druck befreit. Es war auch eine besondere Reise, weil ich nicht allein war, und so konnte ich nicht unbedingt hingehen, wohin ich wollte. Also reiste ich mit meiner Leica M6, etwa 20 Rollen Film und einem 35-mm-Objektiv. Es war ein einfacher Ansatz. Am Ende könnte man meinen, dass es viele Einschränkungen gab, aber im Gegenteil, es gab mir Freiheit.

Gibt es Fotografen, wichtige Personen oder Künstler, die Sie beeinflusst haben?
Was meine Schwarzweiß-Arbeiten betrifft, so schätze ich Fotografen, die mit starken Kontrasten arbeiten, wie Sergio Larraín, Renato D’Agostin, Gabrielle Duplantier, Raymond Depardon oder Mario Giacomelli. Und natürlich mehrere Magnum-Fotografen, darunter die talentierte Cristina Garcia Rodero. Bei Pingyao hatte ich für das Foto des Hundes in der Tür natürlich das großartige Bild von Marc Riboud im Kopf, das in einem Geschäft mit vielen Fenstern entstand, die das Leben draußen einrahmen. Was meine Einflüsse im weiteren Sinne betrifft, so mag ich besonders den amerikanischen Realismus in der Malerei, mit Vertretern wie Edgar Hopper. Der Gedanke, eine Realität zu beschreiben, die man mit ein paar Spritzern Melancholie und Einsamkeit versetzt, durchdringt mein Werk. Mein Großvater, André Graciès, der Maler war, hatte ebenfalls großen Einfluss auf mich. Er vermochte in seinen Gemälden eine ganz besondere Lieblichkeit zu vermitteln, die ich auch in meinen Aufnahmen darzustellen versuche.

Welche Ausrüstung haben Sie benutzt? Welche Objektive, welche Filme?
Ich habe mit meiner Leica M6 fotografiert, einem 35er-Color-Skopar von Voigtländer und etwa 20 Rollen Fomapan 400. Eine kleine Kompaktkamera hatte ich auch dabei. Was das Klima betrifft, so habe ich verschiedene Extreme erlebt, zum Beispiel sehr hohe Temperaturen in Peking und extreme Feuchtigkeit in den Reisfeldern. Aber meine Leica M6 ist älter als ich und hat in der Vergangenheit schon Schlimmeres überlebt. Ich hatte absolut keine Probleme, außer vielleicht beim Aufnehmen einiger sehr kontrastreicher Szenen, wobei einige Bereiche sehr hell waren und andere völlig im Schatten lagen. In puncto Technik bin nicht sehr gut, das muss ich zugeben, und einige meiner Bilder haben leichte Unschärfen oder ein paar andere Macken, aber das gehört dazu. Das ist auch das Schöne an dem Projekt. Die Fotos sind nicht unbedingt perfekt, aber sie repräsentieren ein bestimmtes Gefühl in einem bestimmten Moment, und das ist es, was für mich zählt.

Jean-Luc Feixa fotografiert seit etwa 15 Jahren. Als täglicher Zuschauer richtet er seinen Blick gern auf alltägliche Szenen – so lange, bis er den Punkt findet, an dem sie sich in schöne Bilder verwandeln. Besonders angetan haben es ihm die Zwischentöne architektonischer Linien und menschlicher Figuren, die er auf seinen Streifzügen einzufangen versucht. Daneben arbeitet er in Belgien an persönlichen Fotoprojekten, vornehmlich analog und in Schwarzweiß. Seine Arbeiten wurden in mehreren Galerien und auf Festivals in Frankreich, Belgien und Dubai ausgestellt. Sein letztes Buch, Strange Things Behind Belgian Windows, ist bei Luster Publishing erschienen. Erfahren Sie mehr über Feixas Fotografie auf seiner Website und bei Instagram.