Ihre Serie heißt „ZEN ART – Wabi Sabi – perfekt / unperfekt“. Können Sie uns das näher erklären?
Zen in der Photographie? Wenn wir uns mit Zen beschäftigen, gehen die Meinungen auseinander: Religion oder Philosophie, das lassen wir außen vor. Für mich ist Zen eine Lebensphilosophie. Da Zen nicht erklärbar ist, wird es in den Künsten wie Ikebana, Tuschemalerei, Teeweg, Bogenschießen, Wabi Sabi usw. umschrieben. Hierbei spielen Meditation, Achtsamkeit, Heiterkeit und Leidenschaft eine entscheidende Rolle. Meditation führt zur Stille und Gelassenheit und erzieht uns zur Langsamkeit. Meditative Bilder gelingen, wenn wir die nötige Ruhe in uns spüren und auch abrufen können.

Welches ist Ihre bevorzugte Kamera/ Objektiv-Kombination? Wie arbeiten Sie damit?
Mit meiner Kamera, die ich in und auswendig kenne, arbeite ich im M Modus und setze mein ganz persönliches Sehen um. Bei der Ausrüstung ist eher Minimalismus gefragt. Achtsamkeit, Geduld und Leidenschaft sind das Ziel. Nur, wenn man sich genügend Zeit nimmt, was nicht immer einfach ist, erkennt man auch das Wesen der Dinge im Kleinen.

Ich arbeite mit einer Q2 und einer SL. Als Minimalist reichen mir an der SL ein 35er und ein 60er Macro R-Objektiv plus Balgen bei 90% der Aufnahmen. Ich liebe die unmittelbare Nähe zum Objekt. Wie bei diesem Heuhüpfer, der einen scheinbar erstaunt anschaut. Es öffnet sich ein neuer liebenswerter Kosmos. Eine solche Studie setzt voraus, dass ich das Verhalten, z.B. der Insekten, vorher genau erkundet habe.

Haben Sie einen Foto-Tipp?
Nicht der Kopf soll einen zur perfekt (unperfekten) Aufnahme führen, sondern der Bauch. Nur so entwickelt man das Gefühl für das Gegenüber. Man bildet nicht nur ab, sondern bringt seine Emotionen mit ins Bild ein. Zudem sind Meditieren, tägliches Üben und Spaß an der Sache wichtig.
Um dem Alltag zu entfliehen und Fotomotive zu erschaffen, ist eine Beschäftigung mit Land Art, z.B. „Steinmandl bauen“, eine gute Übung.
Nachdem eine Skulptur zum 20. Mal wieder aufgebaut wurde, fehlt es einem nicht an Humor und Liebe zur Ausdauer. Aber es ist ein lohnendes Spiel und wenn man lange genug am Fluß bleibt, offenbart er sein ganzes Farbspektrum.

Es gibt auch einen Leica Akademie Workshop zum Thema Wabi Sabi. Was erwartet die Teilnehmer?
Wabi Sabi ist eine Möglichkeit, dem Geist des Zen näher zu kommen. Es ist eine aus Japan stammende ästhetische Philosophie. Ihre Schöpfung liegt in der Natur und setzt sich mit WERDEN und VERGEHEN auseinander. Hierbei steht Wabi für Einfachheit, Natürlichkeit und Zufriedenheit und Sabi für Vergänglichkeit, Gebrauchtsein und Unperfektheit. Es sind die einfachen, liebgewordenen Dinge, an denen unser Herz hängt. Alles Menschliche obliegt der Vergänglichkeit und ist irgendwann überholt. Die Natur als Lehrmeister unseres Lebens. Das ist unsere Chance, mit der Kamera in sie einzutauchen und aus ihr zu schöpfen.

In dem Leica Akademie Workshop beschäftigen wir uns mit dem meditativen Sehen und richten unsere volle Aufmerksamkeit dem unmittelbaren Umfeld zu. Das Bild findet uns und wir bringen die nötige Achtsamkeit mit, um es zu erkennen und zu gestalten.

Hermann J. Netz

Als Leica Zen-Fotograf und Land-Art-Künstler beschäftigt er sich intensiv mit der Natur. Dabei ist ihm der Dialog mit Natur und Kultur sehr wichtig. Charakteristisch für seine Arbeiten sind konzentrierte Detailstudien, eine abstrakte Bildauffassung und die minimalistische Arbeitsweise in der Tradition des Zen.

Er ist Mitglied der Berufsvereinigung der Bildenden Künstler Österreichs und Dozent für Zen-Fotografie an verschiedenen Kunstakademien und der Leica Akademie Deutschland.

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