„Landschaften sind der dreidimensionale Ausdruck der Natur; sie sollten für sich selbst stehen“, sagt Albert Knapp. Für eine gelungene Landschaftsfotografie versucht der Amerikaner, ein Gefühl von Macht, Spannung und Mysterium einzufangen – die erhabene Pracht unseres Planeten und die Ehrfurcht, die sie beim Betrachter auslöst.

Ihre Serie trägt den Titel Sand, Ice, Rocks, Water. Handelt es sich um eine Hommage an die Elemente?
Es ist eine Hommage an die wichtigsten Elemente von Menschenhand unberührter Natur. Kunst statt Künstlichkeit. Ich bin nicht der Meinung, dass wir uns der Natur unterwerfen müssen, sondern dass wir mit ihr kommunizieren und eine Beziehung zu ihr aufbauen können.

Was bedeutet die Natur für Sie?
Die Natur ist die Gesamtheit der komplexen, vielschichtigen Realität des Planeten Erde. Vom Makro- bis zum Mikrokosmos interessieren mich die dynamischen Beziehungen zwischen lebenden Organismen und ihrer anorganischen Umwelt, wie sie in einem bestimmten Moment interagieren und auch, wie sie sich im Laufe der Zeit verändern. Dafür sind meine Fotografien der Spiegelungen von Bäumen im Wasser ein Beispiel. Ich sehe Landschaften, die andere kahl und karg finden mögen – aber für mich offenbaren sich in ihnen die Eleganz und Majestät der Naturkräfte, wie der Wind massive Sanddünen formt oder wie das Licht mit den vielen Facetten eines vom Wasser modellierten Eisbergs spielt. Ich versuche, die Unendlichkeit der Texturen, Muster und Farben in der Natur einzufangen. Geometrie ist das übergeordnete Thema in diesen Bildern: Form, Linie, Kurven, Gestalt.

Wo sind diese Bilder entstanden?
Ihren Anfang nehmen die Bilder in meinem Kopf. Einige entstanden in meinem eigenen Hinterhof – etwa an dem See auf unserem Grundstück im Süden von Connecticut, wo ich den Kreislauf von Farbe und Licht, der sich im Wasser spiegelt, zu jeder Jahreszeit erlebt habe. Für andere habe ich einige der entlegensten Orte der Erde bereist, die Tiefen der Sahara, Namibia, das Death Valley und die White Sands in New Mexico. Für die Eis-Aufnahmen habe ich den hohen Norden jenseits des Polarkreises in Kanada, Island und Grönland bereist. Zwei separate Reisen führten mich an den gegenüberliegenden Pol in der Antarktis. In meinen Gedanken bin ich überall und wenn ich dann tatsächlich ankomme, benutze ich die Kamera, um die Aufnahmen zu machen, die ich mir vorgestellt habe.

Verbirgt sich in Ihrer Arbeit eine gewisse Sehnsucht?
Ja, ich sehne mich danach, die äußerste Schönheit und Erhabenheit des Raums zu enthüllen. Ich sehne mich nach der Bewahrung der Wildnis und der unbefleckten Reinheit der großen Vielfalt der Erde.

Neben all der Schönheit, die Ihre Bilder vermitteln, gibt es auch das Symbol der Macht …
Die Kraft der Landschaft wird immer fortbestehen; aber leider bin ich sehr empfänglich dafür, dass die Menschheit so vieles bedroht hat, was auf unserem Planeten schön und großartig ist. Die Auswirkungen des Klimawandels waren verheerend. Aber er hat auch eine immer heftigere Reaktion der Natur offenbart: Erdbeben, Waldbrände, Stürme und Tornados, Überschwemmungen und Dürren. Der menschliche Wahnsinn hat die Landschaft verändert, und jetzt antwortet die Natur sehr kraftvoll.

Sollen wir Ihre Serie als eine Art Appell an die Menschheit verstehen, sich besser um die Natur zu kümmern?
Ich möchte zeigen, wie die Natur, lässt man sie in Ruhe, verzaubert und zum Nachdenken anregt. In Stille und Einsamkeit haben wir mehr Zeit und Raum, um innerlich und auch äußerlich über unsere Beziehung zu unserer Umgebung nachzudenken. Auf meinen Foto-Reisen habe ich wirklich gelernt, wie ernst wir unsere Verantwortung als Hüter der Umwelt nehmen müssen; nicht um sie unverändert zu erhalten, sondern um der Erde zu erlauben, sich ohne die katastrophale und schädliche Einmischung des Menschen weiterzuentwickeln.

Sie sind von Haus aus Mediziner. Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Das Visuelle hat mich schon immer fasziniert. Ich bin in einem Haushalt von Kunstliebhabern aufgewachsen, Kunst war für mich alltäglich. Meine erste Kamera bekam ich als Fünfjähriger geschenkt, mit neun kam eine 8-mm-Filmkamera von Bolex-Paillard dazu. In den 1970er- und 80er-Jahren kehrte ich mit der Nikon F und später der F2 zur Kleinbildfotografie zurück, bevor ich zur Leica wechselte. Das war eine echte Umstellung, denn die Qualität der Objektive ist unübertroffen. Auch in meiner Tätigkeit als Mediziner verwende ich immer die hochwertigste Ausrüstung. Für mich ist es wichtig, dass die Geräte es mir ermöglichen, klar und präzise zu sehen und Aufnahmen ohne Bildfehler zu machen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Beruf und Ihrer Liebe zum fotografischen Detail?
Ich führe bildgebende endoskopische Eingriffe im Magen-Darm-Trakt durch. Meine Arbeit ist im Wesentlichen visuell, also ist die Optik sehr wichtig, um das, was ich durch das Endoskop sehe, interpretieren zu können, um normale Anatomie und Anomalien zu erkennen, damit eine korrekte Diagnose und Behandlung erfolgen kann. Ich denke, dass meine professionelle Art zu sehen und wie ich fotografisch sehe, sehr eng miteinander verbunden sind. Ich muss zuerst wissen, was ich sehen muss, und dann interpretieren, was das Objektiv liefert.

Sie arbeiten seit den 80er-Jahren mit Leica Kameras. Mit welchen?
Angefangen habe ich mit der R8 und der M6 TTL. So wie sich beide Kameralinien entwickelten, entwickelte ich mich auch. Ich wechselte zur M7 und 2009 zur M8. Es folgten die M9 und die M10. Von der R8 wechselte ich zur R9 und schließlich zur R9-DMR. Mir gefiel die SLR, aber als die S2 herauskam, war ich total aus dem Häuschen. Ich habe meine ganze Ausrüstung verkauft und 2010 eine S2 erworben. Später folgten die S (Typ 006) und die S (Typ 007). Die Bilder dieser Serie entstanden alle mit den S-Kameras und -Objektiven, sie sind nur minimal in Lightroom und Photoshop bearbeitet. Ich manipuliere zwar gerne Bilder, aber ich glaube, dass Landschaften für sich selbst stehen sollten.

Albert Bruce Knapp wurde 1955 in New York geboren, wo er als Medizinprofessor an der NYU School of Medicine tätig ist. Seit er fünf ist, besitzt er eine Kamera. In seiner Fotografie sucht er nach Gleichgewicht, nach Bewegung in der Stille, nach einem Gefühl der Verbindung zwischen allen Dingen. Seine Serie Sand, Ice, Rocks, Water vermittelt seine persönliche Vision von Landschaften.