Von einem starken Interesse an der kulturellen und kolonialen Vergangenheit seines Landes getrieben, kehrt der portugiesische Fotograf Rui Pires immer wieder in die „blaue Stadt“ Chefchaouen im Norden Marokkos zurück und fotografiert dort für sein stimmungsvolles Langzeitprojekt – zunächst mit einer Leica SL, jetzt mit einer SL2.

Seit den 90er-Jahren besuchen Sie die marokkanische Stadt Chefchaouen. Woher rührt ihr Interesse für diesen Ort?
Ich bin ein Erzähler. Ich untersuche Geschichte und Kulturanthropologie. Die Fotografie ist ein Werkzeug, das meinen Studien und meiner Forschung einen visuellen Ausdruck verleiht. Eines meiner Projekte – das ich vor langer Zeit begonnen habe und sicherlich nie beenden werde – ist die Geschichte der Expansion Portugals, die im 14. Jahrhundert begonnen hat. Ich bin auf der Suche nach Spuren der portugiesischen Geschichte um die Welt gereist. Wir Portugiesen haben unsere Kultur, unsere Sprache, unsere Bräuche, unsere Lebensweise und unsere Religion weltweit verbreitet. Chefchaouen ist ein wichtiger Teil dieser Geschichte: Ein Ort, in dem man bei jedem Schritt in der Medina über ein Stück Geschichte stolpert. 2015 erhielt ich für meine Arbeit in Chefchaouen einen Unesco-Preis für Dokumentarfotografie, aber mein Interesse an der Stadt habe ich nicht verloren und werde noch viele Male zurückkehren.

Wie sehr hat die „blaue Stadt“ Ihr Auge als Fotograf angeregt?
Die kräftigen Blautöne haben zweifellos einen großen Einfluss auf die Fotos, die ich in Chefchaouen aufgenommen habe. Es ist dieser malerische Teil der Stadt, der in den letzten Jahren so viele Fotografen und Touristen angezogen hat. Aber ich denke, was mich wirklich inspiriert, ist die Geschichte des Orts, die Bücher, die ich darüber gelesen habe, die Entdeckung aller Details mit dem Auge eines Historikers.

Wie reagierten die Menschen darauf, dass sie fotografiert wurden?
Es kommt auf den Ansatz an. Sebastião Salgado hat einmal gesagt: „Ich erzähle ihnen ein wenig von meinem Leben und sie erzählen mir ein wenig von ihrem. Das Bild selbst ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Dem kann ich nur zustimmen. Araber – und Marokko bildet da keine Ausnahme – lassen sich nicht gern von Fremden fotografieren. Sie hassen den Fotografen, der nur nach Bildern jagt. Aber wenn man sich mit ihnen anfreundet und kommunikativ ist, führen sie gern stundenlange Gespräche mit dir. Man lernt viel und vergisst, dass man eine Kamera dabei hat. Am Ende sind sie es, die dich einladen, sie zu fotografieren. Es ist wichtig, sein Interesse an den Menschen zu zeigen – und mein Interesse ist echt.

Wie beschreiben Sie Ihren fotografischen Ansatz?
Der Fotograf David Hurn hat es einmal so ausgedrückt: „Der Fotograf muss eine intensive Neugierde, nicht nur ein vorübergehendes visuelles Interesse für das Thema der Bilder empfinden. Diese Neugier führt zu einer fundierten Auseinandersetzung, zum Lesen, Reden, Forschen und zu vielen, vielen gescheiterten Versuchen über einen langen Zeitraum hinweg. Ihre Neugierde, Faszination und Begeisterung für das Thema können Sie durch die Bilder, die Sie machen, auf andere übertragen.“ Das sagt schon alles. Im Grunde bin ich ein Fotograf mit einem sehr klassischen und humanistischen Zugang zu der fotografierten Person, und ich wäre gar nicht in der Lage, ein Foto zu machen, in dem eine Person nicht auftauchen möchte.

Haben Sie (fotografische) Vorbilder, die Sie beeinflusst haben?
Sagen Sie es niemandem: Nein, die habe ich nicht. Meine Quelle fotografischer Inspiration sind meine Bücher. Ich sehe mir gern Aufnahmen von anderen Fotografen zu Themen an, die mich interessieren, aber ich denke nie darüber nach, wie eine Aufnahme gemacht wurde.

Die meisten Ihrer Bilder haben eine sehr dynamische Lichtkomposition.
An das Licht stelle ich hohe Ansprüche. Ich brauche ideale Lichtverhältnisse, um mich beim Fotografieren wohlzufühlen, aber oft ist das nicht möglich. Ich bin ein großer Bewunderer der Kunst der klassischen europäischen Maler des 17. Jahrhunderts und liebe Lichtschattierungen und Kontraste. Wann immer möglich, nutze ich das in meinen Aufnahmen. Es klappt nicht immer, aber ich versuche, die ideale Tageszeit zu nutzen, um eine bestimmte Art von Fotografie zu machen. Ich arbeite nur mit natürlichem Licht, oft in der ersten oder zweiten Reflexionsebene. Ich bin immer noch ein Fotograf, der glaubt, dass ein Fenster zur Straße das beste Blitzgerät der Welt für Innenaufnahmen ist.

Sie haben viele Bilder bei Nacht oder schlechten Lichtverhältnissen gemacht.
In der Nacht lässt die öffentliche Beleuchtung die Farben explodieren, vor allem die Blautöne. Tagsüber wäre das nicht möglich. Und für mich gibt es in der Welt der Fotografie kein besseres Werkzeug als die neue Leica SL2 mit einem Summilux-M 1:1.4/28 ASPH. Viele Aufnahmen scheinen tagsüber entstanden zu sein, obwohl ich nicht über einen ISO-Wert von 1600 hinaus gegangen bin. Bei Belichtungszeiten, die es erlaubten, Szenen einzufrieren, gab es fast kein Rauschen. Ich fotografiere schon viele Jahre, aber ein besseres Werkzeug hatte ich noch nie in der Hand. Trotzdem ist die auch die Leica SL, mit der ich vier Jahre lang fotografiert habe, hervorragend geeignet, um ohne Schwierigkeiten bei schlechten Lichtverhältnissen zu arbeiten. Und Leica Objektive sind die besten in der Fotografie.

Wie hat sich die Leica SL2 geschlagen?
Die Objektive, die ich am häufigsten an der SL2 verwende, sind das Vario-Elmarit-SL 1:2.8–4/24–90 ASPH., das APO-Vario-Elmarit-SL 1: 2.8–4/90–280 und das bereits genannte Summilux-M. Mit diesem Set kann es keinen glücklicheren Fotografen auf der Welt geben. Das sind die idealen Werkzeuge für alle Arten der Fotografie, aber auch für Dokumentarvideos. Den Studenten, die meine Fotografiekurse besuchen, sage ich in der Regel, dass die ideale Ausrüstung die ist, bei der man vergisst, dass man sie in der Hand hat: Sie funktioniert als Verlängerung des Körpers, und man nutzt intuitiv all das Potenzial, das sie besitzt. Dann kann es keine Misserfolge geben. Meiner Ausrüstung hat keine Mängel, sie entspricht meinen technischen Anforderungen hundertprozentig.

Der portugiesische Fotograf Rui Pires, 1968 geboren, entdeckte seine Leidenschaft 1983 als Amateur. Im Jahr 2006 begann er mit der Arbeit an Rural Moments, einem Projekt, das das Leben in portugiesischen Dörfern dokumentiert, die von Wüstenbildung bedroht sind. Im Jahr 2009 folgte die Dokumentation Lands of Allah, die das Leben der Nomadenstämme und des Berbervolks der Tuareg in Nordafrika und der Sahara erforscht. Pires hat viele Fotografien und Essays im Internet, in Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht; einige seiner Dokumentationen und Fotografien gehören zu ständigen Ausstellungen in Museen oder werden privat gesammelt. Er gewann diverse Preise, Stipendien und Auszeichnungen in Ausstellungen und Fotowettbewerben, darunter der Unesco-Dokumentarfilmpreis in den Jahren 2013 und 2015. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Rui Pires auf seiner Website.