Mehrere Monate lang begleitete Fabian Zapatka seinen Vater Manfred Zapatka, wie er von der Theaterbühne Abschied nahm. Wie der Berliner Fotograf seinem Vater dadurch neu begegnete, was er an der Arbeit mit der Leica MP schätzt und was für ihn den Reiz der Analogfotografie ausmacht – davon erzählt er in diesem Gespräch.

Ihr Vater ist der bekannte Schauspieler Manfred Zapatka – waren Sie selbst als Kind eigentlich viel im Theater?
Nein, gar nicht. Bei uns zu Hause wurde auch gar nicht so viel über Theater geredet. Erst als Jugendlicher habe ich angefangen, mich mit dem Theater zu beschäftigen. Ich mochte das Theater vor allem als Ort.

Wie sind Sie schließlich auf die Idee gekommen, Ihren Vater fotografisch bei seinem Abschied als Schauspieler im Ensemble zu begleiten?
Das hat sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut. Ich wollte eigentlich immer einmal etwas über das Ensembletheater machen, weil das während meiner Kindheit sehr präsent war – als Instanz, da sich mein Vater sehr mit dem Ensembletheater identifiziert hat.

Diese Art des Theatermachens mit einem festen Ensemble und den verbindlichen Verabredungen hat sich mittlerweile sehr verändert, fast aufgelöst …
Ja, die Schauspielensembles sind schon lange nicht mehr so eng wie damals, in dem Sinne, dass die Mitglieder wirklich nur dort arbeiten. Aber es gab auch bisher keinen wirklichen Aufhänger für mich, so ein Ensemble zu begleiten. Ich wollte meinen Vater auch gerne mal beim Theatermachen erleben. Ich habe ihn tatsächlich nie im Theater, also backstage, erlebt, lediglich auf der Bühne. Dann kam dazu, dass er jetzt nach über 50 Jahren ein herausragendes berufliches Kapitel beendet hat. Dadurch entstand für mich eine Geschichte: ihn bei diesem Abschied vom Spielen als Mitglied im Ensemble zu begleiten und auch dabei, dass er in sein Elternhaus zurückkehrt. Außerdem bin ich selbst vor fünf Jahren Vater geworden. Seitdem wuchs auch das Bedürfnis meinen Vater noch einmal richtig kennenzulernen.

War Ihr Vater sofort mit der Idee einverstanden?
Er war tatsächlich von der Idee sofort begeistert. Was lustig ist, da wir uns über die letzten Jahre eher selten gesehen haben. Aber er war sehr begeistert davon, dass sich jemand die Zeit nimmt und diesem Schritt, seinem Abschied vom Ensembletheater, so eine Wichtigkeit beimisst. Er hat sich bei allem begleiten lassen, hat nie versucht, Einfluss zu nehmen, auf das, was ich fotografiere. Er wollte die Fotos auch nicht sehen oder freigeben. Er hat das ganz abgegeben an mich, als mein Projekt.

Das zeugt von einem sehr großen Vertrauen und auch von einer hohen Professionalität …
Ja, beides. Mein Vater konnte das gut abgeben und hat nie versucht, diesen Prozess von außen zu kontrollieren. Das Vertrauen, dass es gut wird, was ich mache, war von Anfang an da. Dass die Arbeit zunächst eine Auftragsarbeit für das SZ-Magazin war, hat dabei sicherlich auch eine Rolle gespielt.

Welchen Zeitraum deckt Ihre Geschichte ab?
Ich habe im März 2019 angefangen und war im September damit durch. In dieser Zeit bin ich mehrmals für einige Tage nach München gefahren und auch nach Cloppenburg in Niedersachsen, zum Elternhaus meines Vaters. Die meiste Arbeit habe ich auf das Editieren der Fotos verwendet. Es sind insgesamt über 70 Filme belichtet worden. Rund 70 Fotos erscheinen nun im Buch Vater.

Hat während dieser Zeit eine besondere Vater-Sohn-Annäherung stattgefunden?
Wir haben ganz beiläufig kommuniziert. Ich bin eher mitgegangen und habe ihn auf seinen Wegen begleitet. Am Schluss ist die private Seite meiner Fotostrecke sehr viel wichtiger geworden, als die Aufnahmen, die im Theater entstanden sind. Im Buch sind etwa nur wenige Aufnahmen zu finden, die während einer Aufführung gemacht wurden. Hauptsächlich begeistert mich dieses Dazwischen, eine Passage zwischen dem Davor und dem Danach, ohne Abschluss: Mein Vater beim Proben, beim Anziehen, beim Autofahren mit dem Sportwagen, beim Abschiednehmen in München und bei der Ankunft am Ort seiner Kindheit, in Cloppenburg. Vielleicht war ich auch im Theater eher ein wenig befangen, was damit zusammenhängt, dass das Theater immer sein Areal gewesen ist. Die Welt draußen, oder auch sein Elternhaus, da habe ich mich souveräner bewegt. Was für das Projekt aber auch richtig ist, weil es sich dadurch in diese private Welt hinein öffnet. Ich wollte meinen Vater und sein Leben am Theater porträtieren, ohne ihn genau darauf zu reduzieren und anderseits die Beziehung zwischen mir und meinem Vater in dieser Arbeit reflektieren. Es sollte, wenn möglich, eine allgemein gültige Vater-Sohn Beziehung zu sehen sein.

Wie war Ihre Kommunikation während des Projekts?
In der Kommunikation haben wir eine andere Ebene entdeckt, indem wir bemerkt haben, dass wir beide in unserem jeweiligen Fach so sehr hingebungsvoll arbeiten. Dass ich so begeistert fotografiere, und er genauso begeistert seine Stücke spielt. Das ist das, was ich an ihm so schätze: Dass man in ihm ein Vorbild hat, der das, was er macht, alles sehr bewusst und genau macht. Das war unser gemeinsamer Konsens, auch wenn die künstlerischen Ansätze ganz unterschiedlich sind.
Dieser Ort mitten in Niedersachsen, in den Ihr Vater mit Ihrer Mutter zurückgekehrt ist, ist nicht wirklich einladend, und wirkt sehr kleinbürgerlich. Wenn man sich etwa das Foto mit dem am Gehweg schnurgerade aufgereihten Mülltonnen anschaut …
Ja. Es ist für mich kein besonders schöner Ort, plattes Land, kein belebter öffentlicher Raum … Ganz am Schluss habe ich meinem Vater natürlich die Fotos gezeigt, auch die, die ich in Cloppenburg gemacht hatte, aber er fand das überhaupt nicht schlimm. Ich dachte ja, dass ich mit meinen Aufnahmen diesem Ort gegenüber ein bisschen ungerecht bin.

Haben Sie ein Lieblingsfoto in der Strecke?
Das Coverfoto des Buchs ist für mich schon die Essenz der Arbeit. Darauf ist das Haus in Cloppenburg zu sehen, aber es ist ganz bühnenhaft eingefasst. Mein Vater schaut aus dem Fenster herunter, meine Mutter steht vor dem Haus und schaut wie aus dem Publikum herauf zu ihm. Diese Aufnahme ist für mich die Zusammenfassung des ganzen Buchs.

Welche Kamera haben Sie für die Strecke benutzt?
Ich habe das Projekt hauptsächlich mit meiner Leica MP fotografiert, mit der ich sonst auch fast alles mache. Dabei habe ich die Summilux-M 1.4/35 und 50 eingesetzt. Die Kamera habe ich nahezu jeden Tag auch privat dabei, sie ist wirklich sehr robust und leise. Letzteres war für die Fotos, besonders die, die ich hinter der Bühne gemacht habe, sehr wichtig. Und ich kann mit ihr sehr präzise fotografieren.

Die Leica. Gestern. Heute. Morgen.

Jetzt M-System online entdecken!

Wie beschreiben Sie Ihre fotografische Herangehensweise?
Ich rücke in meinen Bildern niemanden nach meinen Vorstellungen zurecht, dramatisiere nicht künstlich, fotografiere analog, um mich den Unwägbarkeiten zu stellen, mache kein Ereignis groß oder klein oder versuche nicht, einen authentischen Ausschnitt der Wirklichkeit zu reproduzieren. In meiner Fotografie möchte ich mich vielmehr mit der Beziehung zur Wirklichkeit auseinandersetzen und auf die Beziehungsgeflechte, zwischen Menschen, Orten und letztlich der Instanz des Fotografierenden selbst verweisen.

C.V. Fabian Zapatka wurde 1978 geboren und verbrachte seine Kindheit in München. Früh brach er die Schule ab und zog nach Berlin. Nach einigen Jahren als Schauspieler beim Film begann er 2006 seine Karriere als Fotograf. Bald folgten große Publikationen in renommierten deutschen und internationalen Magazinen. Regelmäßig arbeitet er u.a. für das Magazin der Süddeutschen Zeitung, Die Zeit und Geo Saison. Sein Werk ist geprägt von der dokumentarischen Auseinandersetzung mit Menschen und ihrer Lebenswirklichkeit. 2015 veröffentlichte er sein erstes Buch Perspectives 1 über einen Tierversuch bei Distance Over Time. Anfang 2021 erscheint der fotografische Essay Vater im Kerber Verlag, zu dem der Schriftsteller Eckhart Nickel einen Beitrag verfasst hat. Eine limitierte und signierte Auflage von 200 Exemplaren, inklusive Print, ist ab sofort direkt beim Fotografen auf dessen Webseite www.fabian-zapatka.de zu erwerben.