Im Spannungsfeld zwischen Prachtmeile und dem berüchtigten Bahnhof Zoo findet er die Protagonisten für seine Street Photography. Mit seinem Projekt City West möchte er die Zeit anhalten und das Gesicht eines Berliner Viertels zeigen, das mit rasanter Veränderung konfrontiert ist.

Was fasziniert Sie so am alten Westberlin? Was ist das Besondere an der Gegend?
Schon seit Beginn meines Studiums an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin war ich gern in der City West unterwegs. Hauptsächlich auf dem Kurfürstendamm. Fasziniert haben mich dort immer die Menschen. Neben vielen Touristen sind dort ganz bestimmte Charaktere unterwegs, die durch ihre Kleidung, Präsenz und ihr Auftreten im entscheidenden Moment meine Aufmerksamkeit erregt haben. Inzwischen bin ich in der Gegend seit sieben Jahren immer wieder als Fotograf unterwegs und habe in dieser Zeit einen deutlichen Wandel beobachtet. Allein visuell hat sich dort über die Jahre so viel verändert. Viele Häuser sind verschwunden und andere wie aus dem Nichts in die Höhe geschossen. Viele Geschäfte sind gegangen und große Marken haben ein ganz anderes Leben an vorher recht ruhige Orte gebracht. Allein die Gegend rund um den Bahnhof Zoo ist ein eigener kleiner Kosmos. Was ich dort schon erlebt habe, ist unglaublich.

Wie sind Sie beim Fotografieren vorgegangen?
Im Mai und Juni dieses Jahres wollte ich meine unfreiwillige Freizeit nutzen und in einem zeitlich limitierten Rahmen Eindrücke sammeln. Meine Idee war eine Dokumentation, welche den derzeitigen Zustand der City West einfängt. Mein Fokus lag dabei auf den Menschen, deren Umfeld und den alltäglichen Situationen im öffentlichen Raum. Mit dem Projekt wollte ich meine Art der Fotografie herausfordern, aus meiner Komfortzone treten und mir neue Ziele setzen. Mein Anspruch war es, ausschließlich mit einem Weitwinkel zu fotografieren, die Umgebung miteinzubeziehen und dabei näher als gewohnt an die Menschen heranzugehen. In der Regel habe ich mich mit anderthalb oder zwei Metern Abstand zu den Passanten bewegt. Ich habe ausschließlich mit Zonenfokus gearbeitet und immer mit Blende 5.6 oder 8 fotografiert. Mit dem großartigen ISO-Verhalten der Leica M Monochrom funktioniert das sehr gut.

Warum haben Sie sich bei dem Thema für Schwarzweiß entschieden?
Alltägliche Momente auf der Straße in Farbe festzuhalten, ist eine große Herausforderung. Oft lenkt die Farbe den Betrachter auf teils unwichtige Elemente und somit vom eigentlichen Inhalt des Bildes ab. Durch Schwarzweiß habe ich das Gefühl, mich mehr auf den Inhalt des Bildes zu konzentrieren und mich weniger von der Präsenz der Farben ablenken zu lassen.

Mit welcher Kamera haben Sie fotografiert?
Mit einer Leica M Monochrom (Typ 246) und dem aktuellen 28er-Summicron, die mir freundlicherweise die LFI-Redaktion zur Verfügung gestellt hat. Anfangs wollte ich mit einem 24er arbeiten, doch ich habe bemerkt, dass mir für die tägliche Dokumentation das 28er reicht. Die Jahre davor habe ich zu 95 Prozent mit einem 35er fotografiert, doch in diesen intensiven zwei Monaten habe ich die Vorzüge der 28er-Brennweite neu entdeckt.

Haben Sie Vorbilder in der Street Photography?
Schon immer sind in diesem Genre die üblichen Verdächtigen die Vorbilder für mich: Joel Meyerowitz, Garry Winogrand, Vivian Maier oder Matt Stuart. Neuerdings auch Joe Greer. Ich bin sehr fasziniert von der Idee, bei der Komposition alle vier Bildecken mit Inhalt und Leben zu füllen. Das ist etwas, an dem ich wohl immer arbeiten werde.

Was sind Ihre nächsten Projekte?
Ich ziehe wieder in meine Heimat Basel. Dort werde ich versuchen, mit einem ähnlichen Ansatz etwas Neues zu beginnen. Vermutlich aber in Farbe.

Die Leica. Gestern. Heute. Morgen.

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Henry Balaszeskul, 1993 in Rheinfelden (Baden) geboren, lebte bis zu seinem 15. Lebensjahr im Hochschwarzwald. Nach dem Umzug in die Schweiz und dem Schulabschluss widmete er sich in einem Orientierungsjahr seiner Neugier und dem Interesse für die Street Photography. Nach Praktika bei lokalen Zeitungen begann er 2014 sein Fotografie-Studium an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin, das er im Herbst 2017 abschloss. Seither ist er als freier Fotograf in Basel und Berlin tätig. Seine Schwerpunkte liegen in der Street-, Reportage- und Hochzeitsfotografie. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Henry Balaszeskul auf seiner Website oder in seinem Instagram-Kanal.