Intensive Zufallsbegegnungen: Mit der Leica Q2 Monochrom hat der in Nigeria geborene britische Fotograf Misan Harriman Menschen porträtiert, die sich der antirassistischen Bewegung in London zugehörig fühlen. Er erklärt, was er an der kompakten Vollformatkamera schätzt, wie man lernen kann, mit den Augen zu hören, und was Schwarzweiß-Fotografie für ihn bedeutet.

Sie haben in den Straßen von London fotografiert – wie lässt sich die Atmosphäre dort beschreiben?
Wie viele der großen Städte auf der ganzen Welt erlebt London gerade einen Moment tiefer Besinnung. Durch die globale Pandemie und die größte Bürgerrechtsbewegung der Geschichte habe ich beinahe das Gefühl, dass ich eine Traumszenerie sehe.

Wie haben die Menschen reagiert, als Sie sie angesprochen haben?
Ich habe Menschen fotografiert, die alles tun, was sie können, um die antirassistische Bewegung zu unterstützen. Sie hatten das Vertrauen, dass ich ihre Geschichte mit Anstand und Würde erzähle.

Inwiefern ist die Fotografie eine Art Bedürfnis oder Hilfe oder sogar Unterstützung in diesen herausfordernden Zeiten?
Dorothea Lange hat einmal gesagt: „Die Kamera ist ein Instrument, das die Menschen lehrt, wie man ohne Kamera sehen sollte.“ Wir brauchen heute Menschen, die mehr sehen als jemals zuvor. Aus diesem Grund muss ich weiter fotografieren.

Sie haben mit der Leica Q2 Monochrom gearbeitet. Was bedeutet Schwarzweiß-Fotografie für Sie?
Schwarzweiß-Bilder sprechen die innere Seele an: Sie erlauben mir, mit Licht zu malen.

Wie hat sich die Q2 Monochrom denn gemacht?
Ich bin eins mit dieser Kamera geworden: Sie hat mich vergessen lassen, dass ich sie überhaupt in den Händen hielt.

Was hat Ihnen am besten gefallen?
Dass der Tonwertumfang in jeder Lichtsituation bemerkenswert ist.

Für welche Art von Fotografie empfehlen Sie die Q2?
Sie ist die perfekte Kamera für die Beobachtung und Dokumentation der Conditio humana.

Die neue Q2 hat ein elegantes, schlichtes und sehr diskretes Design: Haben Sie den roten Punkt vermisst?
Bei den besten Kameras verliert man sich nicht in solchen Details. Die Kamera soll helfen, sich auf die Aufnahme eines Bildes zu konzentrieren – das ist ihre einzige Aufgabe.

Zu Ihrer Serie gehören viele intensive Porträts – warum haben Sie sich darin vertieft?
Ich hoffe, dass meine Arbeit unsere Zeit aufbewahrt, dass sie das ganze Spektrum dessen zeigt, wer wir sind. Und das kann die Porträtfotografie in einzigartiger Weise.

Welche Fähigkeiten muss ein Fotograf Ihrer Meinung nach haben, um ein perfektes Porträt zu erschaffen?
Ein Zitat von Robert Frank sagt alles: „Das Auge sollte lernen zuzuhören, bevor es schaut.“ Ich glaube fest daran, dass wir uns über die Geschichte des Bildes informieren müssen und was das große Privileg bedeutet, eine Kamera handhaben zu können, bevor wir fotografieren. Wir müssen in uns hineinsehen, um aufnehmen zu können.

Black Lives Matter: Welche Erfahrungen haben Sie beim Fotografieren der Proteste gemacht?
Es war eine lebensverändernde Erfahrung, denn ich habe mein eigenes Trauma fotografiert. Auf so etwas kann sich niemand vorbereiten. Diese Proteste haben mir die Hoffnung und Solidarität, die es in London gibt, auf eine Art und Weise gezeigt, die ich mir nie erträumt hätte. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, aber es gibt jetzt einen großen Stamm von Menschen, die guten Willens sind, eine Zukunft für uns zu schaffen, die inklusiver sein wird.

Wie beschreiben Sie Ihren fotografischen Ansatz?
Als eine ewige Suche nach der Wahrheit. Ich suche nach den Teilen von uns, von denen wir nicht wissen, dass wir sie verbergen.

Bitte vervollständigen Sie den folgenden Satz: Fotografie ist …
… eine Möglichkeit, die Welt mit himmlischen Augen zu sehen.

Fotograf, Kreativdirektor und Kommentator des kulturellen Geschehens: Misan Harriman ist der erste Schwarze in der 104-jährigen Geschichte der britischen „Vogue“, der das Cover des Magazins fotografiert hat (September 2020). Seine starken Reportagen und sein Auge für Erzählungen hat ihm die Aufmerksamkeit von Redakteuren und Prominenten beschert. Von der Dokumentation historischer Ereignisse bis hin zur Celebrity-Fotografie – Harriman ist ein Fotograf von außergewöhnlicher Bandbreite. Zu seinen Aufträgen gehören auch Reportagen, die hinter die Kulissen großer Preisverleihungen, Musikfestivals und Filmsets blicken.  Seine beeindruckenden Bilder wurden u.a. in „Vanity Fair“, „Vogue UK“, „Harper’s Bazaar“, „People Magazine“ und „The Telegraph“ veröffentlicht. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Misan Harriman auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.