Mit der Leica SL hat Cornelia Thonhauser im Süden Kaliforniens in der Sonora-Wüste, fotografiert. Eindringlich, stimmungsvoll und mit mystischer Anmutung dokumentiert sie in ihrem Langzeitprojekt Hidden Hills die verlorene Spiritualität dieses Ortes. Wie sie mit der extremen Hitze klarkam, und warum man beim Objektiv-Wechsel nicht nur auf Staub, sondern auch auf Schlangen achten muss, erzählt sie in diesem Gespräch.

Wie kamen Sie auf die Idee für Ihre Serie Hidden Hills?
Diese Arbeit hat sich sehr organisch über die Jahre entwickelt. Seit meinem ersten Aufenthalt in der Sonora-Wüste bin ich beeindruckt von den vielen Details dieser ekstatischen Landschaft, ihren Farben und natürlich vom Licht. Alles wirkt sehr archaisch und mystisch, es herrscht eine spezielle Stimmung von Hitze, Tod und Verwesung. Diese ursprüngliche Natur trifft hier gelegentlich auf die künstlich idyllische Konzeption moderner Vororte mit ihren „gated communities“. Sie scheinen ihre eigene (Flucht-)Mythologie zu zelebrieren, die des frivolen Überlebens in diesem potenziell fatalen Paradies. Beiden Welten waren sehr inspirierend für meinen Geist und meine Augen.

Wie haben Sie angefangen daran zu arbeiten?
Anfangs habe ich einfach fotografiert, bin tagelang herumgefahren, habe viele Objekte aus der Natur gesammelt und dann inszeniert. Es war eine Phase der Faszination und Offenheit, ich wusste noch nicht genau, wonach ich suchte. Dieser Prozess und auch die Recherche für die Arbeit wurden mit der Zeit gezielter. Ich habe mich fotografisch immer mehr der Natur zugewandt, etwas das ich auch weiterhin intensiv verfolge. Bald wird es ein Fotobuch namens Hidden Hills geben, das den ersten Teil meiner Arbeit in der Wüste umfasst. Es wurde zusammen mit Studio Last in Berlin entworfen und wird hoffentlich noch in diesem Jahr erscheinen.

Was macht die Sonora-Wüste für Sie zu einem besonderen Ort?
Die spirituelle Atmosphäre verbindet sich für mich zu dem kulturellen Erbe der Urvölker der Sonora-Landschaft. Die Natur hier wirkt oft wie aufgeladen, es ist ein Landstrich, der seit Tausenden von Jahren von den Ureinwohnern Amerikas besiedelt ist, die Berge und Tiere zeremoniell verehrt haben. Diese Dimension ist heute leider sehr verblasst. Anders als in New York oder Los Angeles spürte ich hier in Arizona das erste Mal eine gewisse Spaltung in der amerikanischen Gesellschafts- und Kulturentwicklung, eine Art Wurzelverlust. Das Fotografieren in der Natur war und ist ein Verlangen einer Art verlorenen Spiritualität Ausdruck zu verleihen.

Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Das Licht, die Farben, der Himmel, der faszinierende Prozess der Zersetzung der Kakteen. Und natürlich diese extreme Ursprünglichkeit in der Landschaft gepaart mit kapitalistischem Exzess und rauer Cowboy-Mentalität.

In Ihrer Projektbeschreibung erwähnen Sie ein künstlich geschaffenes Arkadien …
Es gibt hier viele Gebiete, private Siedlungen und Straßen, die „magische“ Namen tragen wie „Paradise Valley“, „Mirage Mountain“, „Desert Orchid“, um nur einige zu nennen. Sie erwecken sofort eine Art filmisches Skript, einen Eskapismus. Hinzu kommt noch, dass viele Springbrunnen, künstliche Seen und Gewässer wie inszenierte Oasen das Umfeld zieren. Wenn man sich mit der Geschichte dieses Gebietes und mit dem Gila River befasst, wirkt dieser Anblick dann doch etwas unbehaglich. Im 19. Jahrhundert leiteten europäische Siedler das Wasser des Gila Rivers um und schnitten die Siedlungen der Pima- und Maricopa-Stämme von ihrem Lebenselixier ab. Ihre alte und erfolgreiche Landwirtschaft und ihre Handelsstrukturen wurden weitgehend ausgelöscht und man ließ sie in einem trockenen Tal zurück.

Mit welcher Kamera und welchen Objektiven haben Sie gearbeitet und wie sind Sie zurechtgekommen?
Mit der Leica SL und hauptsächlich mit dem Zoom-Objektiv. Die Leica SL ist eine tolle Kamera. Obwohl sie schwerer und größer ist als die Kameras, die ich sonst benutze, war es trotzdem sehr einfach mit ihr zu arbeiten. Durch den Sucher zu blicken empfand ich immer als ganz besonders. Außerdem strahlt sie eine starke Präsenz aus, ich wurde sehr oft auf sie angesprochen. Sie erzeugt ein Gefühl von Wichtigkeit und Respekt gegenüber der Fotografie und ihrer Geschichte.

Gab es aus technischer Sicht schwierige Situationen?
Die Hitze ist physisch immer eine Herausforderung und verlangt natürlich auch dem Equipment viel ab. Wegen des Staubs muss man sehr auf den Sensor aufpassen, vor allem beim Objektivwechsel im Freien. Aber so lange man darauf achtet und dabei nicht auf Schlangen oder Cholla-Kakteen tritt, funktioniert alles sehr gut.

Ihre Bilder wirken sehr mystisch – haben Sie zu bestimmten Tageszeiten fotografiert?
Ich fotografiere zu allen möglichen Tageszeiten, aber es stimmt, dass ich die Abendstunden bevorzuge. Es ist vor allem diese kurze Zeit kurz nach Sonnenuntergang, wenn alles in ein blaues Leuchten getaucht wird und viele Kakteen mit ihren feinen Stacheln ganz weich erscheinen. Es gibt in meinem Buch ein ganzes Kapitel, das sich nur diesen Abend- und Nachtstimmungen widmet.

Gibt es etwas Bestimmtes, dass Sie mit Ihren Bildern beim Betrachter hervorrufen möchten?
Eine tiefere Sichtweise der Natur und ihrer Details. Und ich möchte mit dieser Arbeit auch eine Verbindung zu einer weiteren sozialen Dimension herstellen.

Welche Eigenschaften sollte eine Fotografin haben?
Es kommt natürlich auf die Arbeitsweise und das Sujet an, aber man sollte sich gern und viel auf den eignen Beinen bewegen. Nur beim Gehen entdeckt man die Welt und ihre Nuancen. Und dann auch noch Offenheit, Experimentierfreudigkeit und vor allem Geduld.

Wie beschreiben Sie Ihre fotografische Herangehensweise?
Am Anfang gibt es eine Idee und ich fange dann einfach an zu experimentieren. Ich begebe mich auf eine visuelle Suche. In diesem Moment der Arbeit bin ich sehr offen, probiere viel mit der Kamera aus, mit Materialien und auch mit den Farben bei der ersten Bildauswahl. Früher habe ich viel mehr fotografiert, aber über die Jahre ist alles etwas gezielter geworden und es ist auch mehr Recherche hinzugekommen. In der nächsten Phase mache ich genauere Edits und gebe den Bildern ein bestimmtes Aussehen. Hier entdecke ich oft visuelle Überraschungen, welche ich mir vorher noch gar nicht vorstellen konnte. Das inspiriert mich wiederum, noch mehr Bilder zu finden, um das zu füllen, was noch fehlt. Bei Hidden Hills habe ich noch während der Bildauswahl für das Buch einiges ergänzend fotografiert. Mittlerweile beansprucht das Editieren oftmals die meiste Zeit und ist immer wieder die größte Herausforderung. Es ist immer wieder ein sehr langsamer Prozess, aber auch sehr erfüllend, wenn die Arbeit anfängt sich zu formen und alles Unnötige wegfällt. Dann ist auch das Testen von Papier und Druck sehr wichtig geworden und beansprucht seine eigene Aufmerksamkeit.

Was inspiriert Sie?
Viel lesen, Fotobücher, Filme, Licht und Farben. Aber Inspiration kommt in allen möglichen Momenten, ich liebe es mir Sachen anzusehen und anzuhören. Ich gebe dem viel Raum in meinem Leben.

Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Fotografie ist …
… meine Art mich in der Welt zu bewegen, mit Menschen in Kontakt zu treten. Zu Zeiten auch therapeutisch.

Die gebürtige Wienerin Cornelia Thonhauser ist eine interdisziplinäre Künstlerin, deren Arbeit sich zwischen Fotografie, Video und Multimedia-Projekten bewegt. Sie hat einen MA in Kunstgeschichte von der UCL London und studierte Fotografie an der Akademie der Bildenden Künste in Leipzig. Ihre Bilder und filmischen Arbeiten für Mode- und Multimedia-Performances wurden weltweit in Magazinen, Galerien und Festivals für Klangkunst veröffentlicht. Das Hauptthema ihrer fotografischen Arbeiten ist die Wüste des amerikanischen Westens, welche sie als Quelle für geologische und anthropologische Forschung betrachtet. Ihr erstes Buch, das sich dieser Arbeit widmet, Hidden Hills, erscheint 2021. Erfahren Sie mehr über die Arbeiten von Cornelia Thonhauser auf ihrer Website und in ihrem Instagram-Kanal.

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