Der australische Fotograf erkundet seit 2013 die Straßen von Sydney. Sein Langzeitprojekt mit dem Titel In Visible Light ist ein vielschichtiges Porträt des Treibens und der Stimmungen der Fünf-Millionen-Stadt an der Ostküste des Kontinents. Ferris ist praktisch jeden Tag auf der Straße unterwegs. Er fängt nicht nur die Stadt ein, sondern manifestiert mit seinen Aufnahmen auch Standpunkte und die emotionalen Erfahrungen, die er macht. Ferris sprach mit uns darüber, wer ihn beeinflusst hat, warum er besonders darauf achtet, wie er das Licht einsetzt, und wo die besten Plätze für seine Bilder sind.

Was bedeutet Ihnen Fotografie?
Die Fotografie ist alles für mich. Sie ermöglichte mir, Verbindung mit einer Stadt aufzunehmen, von der ich mich anfangs überwältigt fühlte, und sie als mein Zuhause zu betrachten. Durch die Fotografie kann ich mich mit Sydney auseinandersetzen – einer Stadt, in der die Lebenshaltungskosten noch nie so hoch waren und das Gefühl von Angst und Isolation noch nie so gegenwärtig. Einsamkeit ist mächtig, und ich glaube, der Wunsch nach Verbundenheit ist in meinen Bildern spürbar. Als ich die Street Photography entdeckte, verdichtete sich auf den Straßen Sydneys meine frühere Erfahrung des Fotografierens und führte dazu, dass ich jede Nacht Stunden damit verbrachte, mich in die Werke der „Großen“ zu vertiefen oder Online-Inhalte zu verschlingen.

Ihre Bildsprache erinnert ein wenig an die Arbeiten von Alex Webb und Matt Stuart. Gab es weitere Einflüsse?
Das ist definitiv ein Kompliment. Alex Webb war einer der ersten Fotografen, dessen Arbeiten meine Vorstellungskraft beflügelten und mir mit vielschichtigen Kompositionen, dem Einsatz von Licht und visueller Komplexität das Gefühl gaben, in die Welt jedes Bildes hineingezogen zu werden. Ich bin immer noch überwältigt davon, wie Webb bestimmte Szenen auf Kodachrome einfangen konnte. Kein Chimping und kein Spray and Pray aus der Hüfte wie bei so vielen Street-Fotografen heute – Webb ist wirklich ein Meister. [Chimping: sofortiges Ansehen des Bildes auf dem Display, Spray and Pray: ungezielt mit Dauerfeuer schießen, Anmerkung der Redaktion] Andere Fotografen, deren Arbeit ich im Laufe der Jahre schätzen gelernt habe und die Einfluss auf mich hatten, sind Joel Meyerowitz, Garry Winogrand, Harry Gruyaert, Jason Eskenazi, Trent Parke, Narelle Autio, Jesse Marlow und Matt Stuart. Sie alle fotografieren das Leben, wie es sich um sie herum abspielt, und schaffen es, die Magie im Alltäglichen zu finden.

Wie haben diese Einflüsse Ihnen geholfen, Ihre Bildsprache zu entwickeln und die Verwendung von Licht und Schatten zu meistern?
Es geht nicht so sehr darum, eine Bildsprache zu entwickeln, sondern eher darum, eine Art des Sehens und des Seins zu entdecken. Ich habe das große Glück, Matt und Jesse zu meinen Freunden in der Street-Photography-Community zu zählen: Es kommt nicht oft vor, dass sich deine Helden als wunderbare, großzügige Menschen entpuppen, die ich nicht nur für ihre Fotografie, sondern auch für ihre Einstellung und Lebensauffassung bewundere.

In Visible Light ist ein Langzeitprojekt. Planen Sie, wo Sie hingehen, um gute Bilder zu machen?
Ich kenne die Stadt gut genug, um zu wissen, wo ich mich wann aufhalten muss, um in der besten Position für interessante Fotos zu sein. Manchmal habe ich nur 15 Minuten Zeit – vor allem in den Wintermonaten, wenn die Tage viel kürzer sind –, also muss ich diese Minuten gut nutzen. In solchen Situationen plane ich meine Route und weiß, wohin ich will. An anderen Tagen, wenn ich mehr Zeit habe, gehe ich gern auf Entdeckungsreise und suche nach neuen Szenen und Orten, an denen ich noch keine Bilder gemacht habe.

Worauf achten Sie besonders, wenn Sie durch die Straßen gehen?
Ich neige dazu, nach Szenen Ausschau zu halten, in denen ein ständiger Strom von Menschen zu sehen ist, zum Beispiel an Kreuzungen von Hauptstraßen, an Bahnhöfen, Fährterminals oder in der Nähe von Einkaufs-, Touristen- oder Geschäftszentren. Manche Orte fühlen sich einfach richtig an. Ich suche nach Licht und Schatten, Farben, Merkwürdigkeiten, dem Unheimlichen, Symbolismus und dem Zusammenspiel zwischen Menschen und der Umgebung, in der sie sich befinden, ohne sich dessen vielleicht bewusst zu sein. Ich fühle mich immer zu Straßen und Ecken mit mehreren Lichtquellen hingezogen – direktem Sonnenlicht und reflektiert von Gebäuden und Glas aus denen sich Ebenen, farbenfrohe Formen, Vektoren und starke grafische Elemente ergeben, die ich zum Ausfüllen einer Komposition verwenden kann. Ich folge meiner Intuition und analysiere die Ergebnisse dann später bei der Bearbeitung.

Was bedeutet Licht für Sie und wie setzen Sie es am liebsten ein?
Ich glaube, wenn ein Fotograf das Licht erst einmal beherrscht, hat er die Kontrolle über jede Situation, die er vorfindet, und kann Bilder einfangen, die das vermitteln, was er sieht, aber vor allem auch, was er fühlt. Licht, und damit auch Farbe, ist untrennbar mit Emotionen verbunden, und das ist vielleicht der wichtigste Aspekt meiner Arbeit. Licht ist der Kunstgriff, durch den ich tiefer eindringen kann; es ist das Werkzeug, das mir hilft, meine Lebenserfahrung in dieser Zeit und an diesem Ort zu verstehen und auszudrücken. Die Aufnahmen von In Visible Light sind alle bei natürlichem Umgebungslicht entstanden. Sehr oft versuche ich, mehrere Lichtquellen in den Rahmen einzubinden, sodass eine Art filmischer Effekt entsteht.

Sie verwenden die Q2 mit dem fest verbauten Summilux 1:1.7/28 Asph. Was gefällt Ihnen an dieser Kamera?
Im Grunde genommen ist die Leica Q2 die perfekte Kamera für die Street Photography. Kompakt, diskret, praktisch und zuverlässig. Ich schätze die Möglichkeit, Einstellungen schnell zu ändern, und die taktilen, manuellen Bedienelemente, die sich solide und reaktionsschnell anfühlen. Das ist wichtig, wenn man in den Straßen von Sydney, wo sich die Stärke und Intensität des Lichts an jeder Ecke von Minute zu Minute ändern kann, entschlossen und unbefangen arbeiten will. Die Akkulaufzeit der Q2 ist hervorragend, sodass ich in der Regel nur einen vollen Akku für einen ganzen Fototag benötige. Die Objektivmarkierungen und die wunderbare Möglichkeit, die Schärfeentfernung durch den Sucher schnell zu überprüfen, machen es viel einfacher, diese Kamera einzustellen und schnell zu justieren, um auf dynamische und sich entwickelnde Situationen zu reagieren. Und schließlich sind die Dateien riesig, werden wunderschön wiedergegeben und lassen sich auch hervorragend drucken.

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?
Ich möchte In Visible Light bald als Fotobuch veröffentlichen. Diese Form hat für mich immer Sinn gemacht, da die Literatur vor der Fotografie meine erste Liebe war. Und je mehr ich mich mit diesem Werk beschäftige, desto mehr denke ich über seine erzählerischen Qualitäten nach: Erzählung, Thema, Motiv und Symbol, Spannung und Schluss, Protagonisten und Figuren, Anfang und Ende. Ich habe auch ein paar andere Projekte, an denen ich gleichzeitig arbeite. Eines über Berlin, von wo meine Partnerin stammt, und ein anderes, das sich mit dem Familienleben beschäftigt.

Sam Ferris, 1985 in Melbourne geboren, wurde für den Abschluss seines Kunststudiums mit der Vice Chancellor’s University Medal geehrt und erhielt ein australisches Postgraduierten-Stipendium, um an der University of New South Wales in der Fakultät für Englisch, Medien, Darstellende und Bildende Kunst zu forschen und zu arbeiten. Deshalb zog er nach Sydney, wo er um 2010 herum begann, ernsthaft zu fotografieren. Seine Arbeiten wurden in der ganzen Welt ausgestellt und in The Guardian, Lonely Planet, Photo Review Magazine, Capture Magazine, The Sydney Morning Herald und anderen Publikationen veröffentlicht. Er lebt in Newtown, New South Wales. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Sam Ferris auf seiner Website und seinem Instagram-Kanal.

Leica Q

Akzeptieren Sie nichts außer Perfektion