Torsten Andreas Hoffmann, Sie sind, wie der Titel gut beschreibt, ein Komponist. Viele Ihrer Serien zeigen nicht nur strukturierte Konzepte, sondern auch einen sehr durchdachten Bildaufbau. Man denke an die Serie „Architecture follows nature“ oder an Ihre „Janusblicke“. Beschreiben Sie doch einmal Ihre Herangehensweise von der Idee bis hin zum Bild bei solch konzeptionellen Serien.

Da ich mich viel mit Architekturfotografie beschäftige, fiel mir irgendwann auf, dass die schönsten Gebäude meistens Anklänge an Naturformen haben. Da lag der Gedanke nahe, einmal miteinander korrespondierende Natur- und Architekturformen in Form von Bildpaaren direkt gegenüber zu stellen. Hierbei sind die Bildkompositionen einfach, denn die Bildspannung entsteht zwischen beiden Bildern.

Viel schwieriger ist meine Serie „Janusblicke“, in der ich schöne Ansichten wie Meeresblicke oder Wahrzeichen fotografiere und dann dem Betrachter die Rückansicht vom selben Standpunkt mit dazu liefere. Diese Rückansicht ist oft banal oder sogar hässlich. Daran ist zu erkennen, wie viel die Fotografie verschweigt, wenn sie nur den Blick in eine Richtung zeigt.

Diese Serie ist deshalb schwierig zu erarbeiten, weil es nicht viele Standpunkte gibt, von denen aus Bildkompositionen in beiden Richtungen möglich sind.

In dieser Ausstellung zeigen Sie auch eine andere Seite von sich. Die vielen Straßenszenen stellen den Menschen in den Mittelpunkt Ihrer Betrachtungen. Sie beweisen auch hier gestalterisches Kalkül mit den Spiegelungsszenen, aber auch Ihre humoristische Seite kommt in vielen Bildern zum Vorschein. Inwiefern unterscheidet sich Ihre Arbeitsweise in diesen Bildern zu den konzeptionellen Arbeiten? Haben Sie so etwas wie ein Gefühl der Freiheit, wenn Sie solche Momente festhalten?

Meine Streetfotografie ist in der Tat der Ausdruck eines wunderbaren Freiheits- und Entdeckungsgefühls: mit der Kamera durch eine Stadt schlendern, alles vergessen und vollkommen in die Umgebung eintauchen. Nun gilt es, das Gesehene in dichte Kompositionen zu betten und dichte Momente zu erhaschen. Dabei überlasse ich mich völlig der Intuition. Es ist ein meditativer Prozess, so wie ich es in meinem Buch „Fotografie als Meditation“ beschrieben habe. Ein Prozess, bei dem man, auch im unruhigen Großstadtleben, innerlich zur Ruhe kommt. Mit Spiegelungen arbeite ich gerne, weil es eine schöne Herausforderung ist, mehrere Ebenen zu einer Bildkomposition zu verschmelzen.

Eine kürzlich entstandene Serie nennen Sie „Verrückte Welten“. Die Bilder sind ganz offensichtlich retuschiert und sehr politkritisch. War es der Drang einmal Photoshop richtig auszuschöpfen oder ein politisches Statement zu setzen um den Betrachter zum Nachdenken anzuregen? Was hat Sie inspiriert?

Vieles in unserer Gesellschaft, wie z.B. die zunehmende Ungleichheit, der starke Einfluss des Lobbyismus oder die Ohnmacht gegenüber dem Klimawandel ärgern mich. Ärger ist aber keine gute Energie, deshalb habe ich diesen Ärger in Humor umgewandelt und satirische Motive mit Photoshop zusammengebaut, die täuschend echt aussehen, aber das, was in unserer Gesellschaft geschieht, leicht überspitzt und etwas provokativ auf den Punkt bringen. Dafür hatte ich während des Lockdowns viel Zeit.

Sie sind nicht nur Fotograf, sondern auch Buchautor und haben eine Reihe fototheoretischer Bücher und auch Bildbände verlegt, man denke u.a.  an das Buch „Frankfurt – New York“, das bereits in der 4. Auflage erschienen ist. Ihr jüngstes Buch „Die Magie der Schwarzweißfotografie“ erschien vor knapp einem halben Jahr. Wie entstand die Idee zum Buch?

Der dpunkt.verlag bat mich, ein Nachfolgebuch zu meinem vor über 10 Jahren erschienenen Klassiker „Die Kunst der Schwarzweißfotografie“ zu schreiben. Ich halte die Schwarzweißfotografie gerade in der heutigen Zeit, wo die Farbfotografie milliardenfach den Markt überschwemmt, für ein immer noch modernes und künstlerisches Ausdrucksmittel in der Fotografie. Deshalb lag es mir am Herzen, meine Leser zu einem persönlichen Ausdruck mit der Schwarzweißfotografie zu inspirieren.

Worin besteht die Magie der Schwarzweißfotografie?
Die Magie der Schwarzweißfotografie besteht zum Beispiel darin, dass aus einem klischeeblauen Postkartenhimmel ein fast schwarzer Himmel werden kann, der wunderbar mit weißen Wolken kontrastiert und so aus einem Klischeefoto ein dramatisch, ja mystisch wirkendes künstlerisches Schwarzweißbild entstehen lässt. Ansel Adams war wohl der berühmteste Schwarzweißfotograf, der uns dies mit seinen Landschaftsfotos meisterhaft vorgemacht hat. Aber auch beim Genre Streetfotografie kann die Schwarzweißfotografie zum Beispiel mit ihrem eindrucksvollen Spiel von Licht und Schatten magische Fotos entstehen lassen.

Der Farbfotografie sagt man nach, dass die Farbe oftmals zu sehr vom Motiv ablenkt und die schwarzweiße Variante sich auf das Wesentliche konzentriert. Welche Form der Fotografie erfordert einen schärferen Blick, Farb- oder Schwarzweißfotografie?
Beide Sujets erfordern einen scharfen Blick. Die Farbfotografie ist deshalb oft genauso schwierig, weil Farben, gerade in der Großstadt, häufig nicht miteinander harmonieren. Deshalb ist es bei der Farbfotografie wichtig, eine Bildkomposition so anzulegen, dass alle Farben miteinander im Einklang sind und die Bildaussage unterstützen. In der Schwarzweißfotografie geht es darum, Bilder schon während der Aufnahme in Schwarzweiß umzudenken und sich nicht von leuchtenden, schillernden Farben blenden zu lassen, die in Schwarzweiß ja dann verloren gehen.

Das Buch umfasst sowohl die grundlegenden gestalterischen Mittel der Schwarzweißfotografie, also auch die technische Verarbeitung der Bilder. Welcher Themenbereich im Buch war Ihre größte Herausforderung?
Beim dritten Teil des Buchs, in dem ich über Bildkomposition geschrieben habe, war es eine Herausforderung, es anders zu machen als in meinem ersten Buch und meine Leser direkt anzusprechen und anzuleiten. Das tue ich in diesem Buch häufiger, aber nicht in Form von „Kochrezepten“, sondern in Form von Anregungen, die meine Leser möglichst zu Experimenten anregen und auf ihren eigenen fotografischen Weg führen sollen. Ich hoffe, dass mir das gelingt.

Viele Fotografen sind am Anfang oftmals überfordert ein rundum harmonisches und kompositorisch spannendes Bild zu machen. Was sind Ihre Tipps für ein interessantes Bild?
Das Wichtigste ist, dass man sich für ein Thema, eine Stadt oder eine Landschaft wirklich begeistert. Ohne Begeisterung oder Ergriffenheit gelingen nur selten ausdrucksstarke Bilder, die andere ergreifen. Wichtig ist es auch, ehrlich mit sich selbst zu sein und für das einen fotografischen Ausdruck zu finden, was einen wirklich bewegt. Natürlich muss man auch gestalterische Fähigkeiten haben. Schließlich gelten für ein Foto die gleichen Grundregeln wie für ein Gemälde, es sollte gut und spannungsvoll komponiert sein, jedes Element am richtigen Platz und nichts für die Aussage Überflüssiges auf dem Bild sein. Das ist nicht so einfach.

Die Corona Pandemie hat wohl fast alle beruflichen und privaten Lebensbereiche auf den Kopf gestellt und tut es zum Teil immer noch. Entstehen durch die Corona Pandemie neue Herausforderungen für die Fotografie?
Die Corona Pandemie lässt einige Themen nicht möglich erscheinen. Wenn ich mir vorstelle, wie es den Menschen in den Slums von Mumbai jetzt wohl ergeht, werde ich sehr traurig. Meine Fotoarbeit über die Slums von Mumbai hat mich in meinem langen Fotoleben am meisten berührt und ich bedaure auch, dass ich über Indien in der Corona Pandemie keine Reportage machen kann. Erstens ist das riskant und zweitens lässt mich Indien gar nicht einreisen. Ich habe Corona in Deutschland nicht zum Fotothema gemacht, da es zu viele andere Kollegen tun werden.

Das Interview führte Frau Sonja Kruchen, Kunsthistorikerin, Leica Galerie Frankfurt. Die Ausstellung von Torsten Andreas Hoffmann ist noch bis zum 15. Januar 2022 in der Leica Galerie in Frankfurt zu sehen.

Seine Fotografien können unter folgendem Link erworben werden: https://www.leicastore-frankfurt.de/torsten-a.-hoffmann?p=1

Torsten Andreas Hoffmann ist Fotograf, Buchautor und leitet Fotoworkshops. Er studierte Kunstpädagogik mit Schwerpunkt Fotografie an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Fotoreisen führten ihn u.a. nach Indien, Indonesien, Mexiko, Nepal, in die Türkei, die USA, die Sahara und die Vereinigten Arabischen Emirate. In zahlreichen Ausstellungen renommierter Galerien ( u.a. Leica Galerie Frankfurt, Leica Galerie Salzburg, imago-fotokunst Berlin, Jehangir Art Gallery Mumbai, STO Werkstatt London, Architekturbiennale Venedig ) und Publikationen (über 20 Bildbände) waren seine Arbeiten zu sehen.  Magazine wie Merian, Chrismon, Photographie, mare u.a., aber auch internationale Magazine haben seine Arbeiten veröffentlicht.

Seit vielen Jahren schreibt er regelmäßige Bildgestaltungsserien in bekannten Fotozeitschriften und international erfolgreiche Didaktikbücher wie „Fotografie als Meditation“ oder „Der abstrakte Blick“ oder sein neuestes Buch „Die Magie der Schwarzweißfotografie“ (alle dpunkt Verlag Heidelberg). Außerdem arbeitet er für große Projektentwicklungsgesellschaften. Seine Arbeiten gehören verschiedenen Sammlungen von Banken, anderen Unternehmen und Museen. Er ist Mitglied der Münchner Bildagentur LOOK, des BBK Frankfurt und der Deutschen Gesellschaft für Photografie (DGPh). Er lebt bei Frankfurt und in Goslar.