Bei der Vorbereitung eines Ausstellungsprojekts kombinierte Jon Cazenave die Kollektion des Modeschöpfers Cristóbal Balenciaga mit spanischer Malerei vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Zwischen Februar und Mai 2019 brachte Cazenave die Kreationen für einen Katalog für das Thyssen-Bornemisza Museum, ein Kunstmuseum im Madrider Palacio de Villahermosa, in die richtige Perspektive. An der aufwendigen Produktion arbeitete er im Museo Textil (Katalonien), im Museo del Traje (Madrid) und im Museo Balenciaga (Baskenland). Der spanische Fotograf sprach mit uns über den künstlerischen Ansatz, den er für jedes seiner Projekte entwickelt, und die Herausforderungen dieses Ausstellungsprojekts, das er mit einer Leica S produziert hat.

Ausgehend von Ihren anderen Projekten scheint es, als entwickelten Sie für jedes eine neue Bildsprache und Präsentationsform …
Ich verstehe meine künstlerische Praxis als ein Mittel, mich selbst zu verstehen. Sobald ich mich in der Lage sehe, eine bestimmte visuelle Sprache zu verwenden, macht es für mich keinen Sinn, diese konkrete Ästhetik immer aufs Neue zu wiederholen. Meine Arbeit hat etwas von einem Experiment, in das ich jeden möglichen Prozess zu integrieren versuche, um immer deutlicher zu erfahren, wie ein Bild konstruiert ist. Das ist der Grund, aus dem ich analoge und digitale Fotografie, Kohleverfahren, Cyanotypie oder sogar Screenshots in meiner Arbeit verwende.

Offenbar haben Sie auch starke Verbindungen zu anderen Kunstformen.
Ich habe mich schon immer mit Malerei, Kino, Musik und Skulptur auseinandergesetzt. Die Art und Weise, wie man Fotos in eine Abfolge bringt, hängt eng mit musikalischen Rhythmen zusammen. Schwarzweiß-Fotografie hat eine starke Beziehung zur Skulptur, bei der Materie/keine Materie eine grundlegende Rolle spielt. Und es ist natürlich wichtig, aus der Geschichte der Malerei zu lernen, um die Art und Weise zu verstehen, wie ein Bild konstruiert ist. Unter all den Künstlern, die mich inspirieren, möchte ich die Arbeiten von Jorge Oteiza, Andrei Tarkowski, Mark Rothko, Kasimir Malewitsch, Ryōji Ikeda, Pierre Soulages und sogar Radiohead hervorheben.

Im Jahr 2019 haben Sie die fotografischen Arbeiten für den Katalog Balenciaga and Spanish Painting für das Nationalmuseum Thyssen-Bornemisza inszeniert und produziert. Er setzt das Werk von Cristóbal Balenciaga, einem bewunderten und einflussreichen Modedesigner, in Beziehung zur Tradition der spanischen Malerei vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Was war die größte Herausforderung für Sie?
Die Ausstellung wurde kapitelweise kuratiert, um die Verbindungen zwischen beiden Themen auf Grundlage konzeptioneller Merkmale, architektonischer Formen und Größen sowie chromatischer Komplexität zu analysieren. Mein Hauptanliegen war es, nicht als Autor in Erscheinung zu treten und Gemälde und Kleider interagieren zu lassen. Sie sollten sich selbst ausdrücken und miteinander in Beziehung treten.

Licht setzen Sie bei diesem Projekt sehr dramatisch ein und legen den Fokus auf bestimmte Details. Welche Lichteinstellungen schwebten Ihnen vor und wie haben Sie es geschafft, die Stoffe hervorzuheben?
Ich habe mit einem Team gearbeitet, dem Iñigo Kastezubi, ein brillanter Lichtassistent mit viel Erfahrung auf dem Gebiet der Modefotografie, Jaime de los Ríos, ein bekannter Videokünstler, und Rafael Arocha, ein talentierter Fotograf, angehörten. Gemeinsam konnten wir eine intime Atmosphäre für das Artwork schaffen: Die verschiedenen Kleider scheinen von einem heiligen Licht berührt zu sein, welches sie in der Dunkelheit leuchten lässt. Die Farbe Schwarz war in der spanischen Malerei und Mode während des 16. Jahrhunderts sehr bedeutsam und sie ist es auch in der Arbeit von Balenciaga. Deshalb dachte ich über ein Licht als Katalysator nach, der beide Konzepte der Ausstellung in Beziehung setzen würde.

Sie scheinen Studioblitzlicht benutzt zu haben. Welches spezielle Blitzsystem haben Sie eingesetzt?
Wir verwendeten vier Profoto B1X-Blitze von Innova Foto, ein Unternehmen mit Sitz in Valencia. Obwohl die Atmosphäre der Bilder dunkel und intim ist, waren die technischen Anforderungen, um dieses Erscheinungsbild umzusetzen, wirklich komplex und herausfordernd. Jedes Kleid haben wir nach bestimmten Kriterien an drei verschiedenen Orten fotografiert – mit der bestmöglichen Ausrüstung für das Licht.

Was können Sie über die von Ihnen verwendeten Hintergründe berichten?
Die Hintergründe hat Kendu In-Store Visual Solutions erstellt, ein Unternehmen aus San Sebastian, das visuelle Lösungen für die Modebranche anbietet. Wir haben uns entschieden, zwei graue Planen aus flexiblem Textil von 2,5 x 3 Meter fertigen zu lassen, um die Motive einfach, aber effektiv in Szene zu setzen. Dieser geometrische Hintergrund besaß eine klare Beziehung zur Einfachheit der Entwürfe von Balenciaga und die Verwendung von Stoff bot uns eine Verbindung zur Modeindustrie. Grau war die beste Option für eine intime Atmosphäre, eine perfekte Szenerie, um sich auf die wunderbaren Kunstwerke von Balenciaga zu konzentrieren.

Welche Kamera und Objektive haben Sie bei diesem Projekt verwendet?
Ich habe eine Leica S mit einem Summicron-S 1:2/100 ASPH. und einem Summarit-S 1:2.5/70 ASPH. eingesetzt. Ich könnte mir keine bessere Ausrüstung für dieses Projekt vorstellen. Das Leica S-System verbindet die für einen Auftrag dieser Art erforderliche hohe Auflösung mit einer optimalen Kameragröße und einem einfachen Betriebssystem. Die Shooting-Sessions waren aufgrund der intuitiven Bedienung und des kompakten Designs der Kamera sehr angenehm. Eine Erfahrung mit Leica Equipment, an die man sich definitiv erinnert!

Woran arbeiten Sie gerade?
Ich bereite ein Buch mit Bildern, die ich zwischen 2020 und 2021 aufgenommen habe, für die Kunstsammlung der baskischen Rgionalregierung vor. Außerdem sitze ich an einem Vorschlag für eine Ausstellung zu Fotobüchern, die ich im San Telmo Museum in San Sebastian kuratiere. Abgesehen von diesen Aufgaben arbeite ich auch immer wieder an meinen persönlichen Projekten. Gerade produziere ich neues Material für ein Projekt, das sich mit der Idee der Landschaft beschäftigt – ein Konzept, das in meiner Arbeit allgegenwärtig ist.

Jon Cazenave, 1978 in San Sebastian, Spanien geboren, schloss 2001 sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Deusto ab, bevor er Fotograf wurde. Seine Arbeiten werden international ausgestellt und erschienen in El País Semanal, Harper’s Bazaar, Vogue UK, M le magazine du Monde sowie in Fachmedien wie GUP, Die Nacht und L’oeuil de la Photographie. Seine Arbeit wurde mit Preisen wie descubrimientos Photoespaña, FotoPres La Caixa Grant, Basque Government Fine Arts Grant, Tokyo International Photography Award, PDN Award und Voies Off Arles ausgezeichnet. 2016 wurde er für die Teilnahme an der 18. Ausgabe des Programms European Eyes on Japan ausgewählt. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Jon Cazenave auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Leica S

Eine Klasse für sich.