2019 inszenierte Pablo Larraín Spencer, ein Biopic über Prinzessin Diana mit Kristen Stewart in der Hauptrolle. Am Set halfen seine Leica Kameras dem Filmemacher immer wieder, andere Perspektiven auf das zu finden, was sich vor der Filmkamera abspielte. Filme zu inszenieren und zu fotografieren sind seine Leidenschaften. Nach dem 2016 gedrehten Film Jackie konnte Larraín bei der Arbeit an Spencer erneut die Besonderheiten beider Medienformen kombinieren. Im Interview spricht der Regisseur über den Unterschied, den er zwischen Fotografie und Film sieht, wie unterschiedlich er mit Licht je nach Standort umgeht und was er an seiner Hauptdarstellerin Kristen Stewart schätzt.

Ihr Film Spencer feierte am 3. September 2021 bei den 78. Internationalen Filmfestspielen von Venedig Premiere. Jetzt sind Sie gerade von der Oscar-Verleihung zurückgekehrt, bei der Kristen Stewart als beste Schauspielerin nominiert war. Was bedeutete das für Sie?
Es war eine große Ehre und eine großartige Nachricht. So eine Nominierung ist immer toll, besonders bei einem Film wie diesem, in dem es um Charaktere geht. Auszeichnungen im Allgemeinen – nicht nur die Oscars – machen einen Film für das Publikum zugänglicher: Seine Popularität steigt.

Wie sind Sie in die Welt der Bilder gelangt?
Ich habe als Fotograf von Stills angefangen, das war mein Zugang zum Bild. Später fing ich an, auch mit Filmkameras zu arbeiten.

Was jat Sie veranlasst, beide Berufe zu verbinden?
Ich muss meine Fotokamera immer in der Nähe haben. Durch sie fühle ich mich den Charakteren näher. Ich sehe die Dinge klarer, wenn ich durch ein Objektiv schaue.

Was ist anders an einer Fotokamera?
Es ist eine sehr private Sichtweise, weil niemand darauf schaut, sie wird kaum erkannt. Sie ist sehr leicht und deshalb mobil. Sie gelangen an Orte gehen, die mit einer Filmkamera unerreichbar sind. Es ist nicht in Bewegung, es steht still. Es ist, als stähle man ein Stück Zeit. Man fängt etwas Einzigartiges ein, etwas das nie wiederkommt.

Was ist der Unterschied aus der Perspektive der Schauspielerinnen?
Fotografiert der Regisseur anstatt zu filmen, empfinden die Schauspieler das als sehr privat, es ist, als wäre man Teil einer intimen Gemeinschaft, die Teil des Films ist. Sie machen Sachen, die sie vor der Filmkamera nicht täten. Hin und wieder, manchmal auch täglich, fand ich, es wäre Zeit zu fotografieren. Ich habe vor und zwischen den Aufnahmen fotografiert. Die Kamera hatte ich immer dabei, entweder eine Leica Q oder eine Leica SL.

Ist das eine gängige Praxis am Set?
Nein, es ist eher ungewöhnlich, dass der Regisseur eine Fotokamera dabei hat.

Verstehen die Schauspieler Ihren Drang zu fotografieren?
Ich spreche mit ihnen, sie wissen es vorher. Ich glaube, sie schätzen es. Ich habe noch nie einen Schauspieler gesehen, dem es unangenehm war, vor einer Fotokamera zu stehen, es ist okay für sie. Man muss ein Gespür für den richtigen Moment haben.

Worauf liegt Ihr Hauptaugenmerk beim Fotografieren?
Ich möchte den Charakter einfangen und eine Spur davon, was er gerade macht. Meine Absicht besteht darin, in jedem einzelnen Bild den ganzen Film festzuhalten. Jedes Bild ist ein Konzentrat, das einen bestimmten Moment des Films enthält. Dadurch lerne ich die Charaktere besser kennen. Solange eine Filmkamera läuft, wird es immer kostümierte Schauspieler geben. Die Fotokamera definiert meiner Meinung nach das Bild, sie komplettiert die Person im Kostüm.

Fühlen Sie sich auch zu anderen Kunstformen hingezogen?
Ich liebe Musik, kann aber kein Instrument spielen. Ich liebe Malerei, kann aber nicht malen. Doch es gibt Ähnlichkeiten zwischen Malen und Fotografieren: Es geht um Komposition, Licht, Farbe, Textur und nicht zuletzt um Volumen und Emotion. Es gibt eine tiefere Dimension.

Apropos Licht, wie arbeiten Sie damit?
Licht ist der wichtigste Teil der Fotografie. Ich mag die Wintersonne in Deutschland. Sie erzeugt ein sehr weiches Licht, sehr malerisch, weil die Sonne sehr niedrig steht. Das bringt einen schönen Kontrast ins Bild. Oft dringt Licht durch Nebel und auch das verleiht den Bildern eine sehr weiche Note. Außerdem musste ich mich anpassen: Ich stamme von der Südhalbkugel und das Licht im Norden ist anders. Ich musste mich daran gewöhnen, dass die Sonne in der nördlichen Hemisphäre mittags im Süden steht und nicht im Norden.

Was ist aus Ihrer Sicht sonst noch anders?
Die Bäume und die Farben in Natur. Das muss man verstehen und annehmen. Fotografie wird zu einer Übung, mit der man sich an die neue Umgebung gewöhnt.

Was schätzten Sie an Ihrer Hauptdarstellerin Kristen Stewart?
Sie war sehr vielseitig und sehr präsent. Jeder Tag mit ihr war eine neue Erfahrung, sie ist auf unterschiedliche Weise eine schöne Schauspielerin. Jeder Tag brachte eine neue Situation mit sich. Wir wechselten häufig die Locations und die Garderobe. Das führte auch zu neuen Bildern. Kristen zeigte, je nach den Anforderungen des Drehbuchs, andere emotionale Befindlichkeiten. Die musste ich wahrnehmen und einfangen, sonst hätte das Ganze nicht funktioniert. Es geht um Gefühle, besonders in diesem Film über Prinzessin Diana.

Pablo Larraín, geboren 1976 in Santiago de Chile, gründete 2003 zusammen mit seinem Bruder Juan die Produktionsfirma Fábula, die Film- und Werbeprojekte entwickelt und die Arbeit aufstrebender Regisseure unterstützt. Er hat bei acht Spielfilmen Regie geführt und eine Fernsehserie mitinszeniert, darunter die Oscar-nominierten Filme No (2012), Jackie (2016) und Spencer (2021). Spencer war sein zweiter englischsprachiger Film, der bei den 78. Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt und von der Kritik gefeiert wurde. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Pablo Larraín auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Leica SL2

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