Seiya Nakai fotografiert Züge, Gleise und die wunderbare Welt, durch die sie führen. Für ihn wecken Eisenbahnen ein Gefühl der Wärme für die unzähligen Reisenden, die sie von Stadt zu Stadt transportieren.

Sie fotografieren gerne Züge – haben Sie dieses Interesse schon seit Ihrer Kindheit?

Ich habe mit zwölf Jahren angefangen zu fotografieren, die Kamera hatte ich von meinem Vater bekommen. Neben Zügen gehörten unter anderem auch Autos und Insekten zu meinen ersten Motiven. Dass ich mich schließlich nur noch auf Züge und Eisenbahnen konzentrierte, lag daran, dass ich in den Eisenbahnklub an meiner Schule eingetreten bin. So seltsam es erscheinen mag, aber zunächst bereiteten mir weder die Aktivitäten des Klubs noch mein Steckenpferd, die Fotografie, große Freude oder Befriedigung. Erst als ich beides kombinierte, funkte es und ich entdeckte meine Leidenschaft.

Was fasziniert Sie so daran?

Ich glaube, dass die Menschen in den meisten anderen Ländern die Eisenbahn in erster Linie als System für den Transport von Gütern sehen, während unser Leben in Japan um das System Eisenbahn herum aufgebaut ist. Züge und Eisenbahnen sind tief in unser tägliches Leben integriert und für viele Japaner spielen sie eine wesentliche Rolle bei so wichtigen Lebensereignissen wie dem täglichen Weg in die Schule oder zur Arbeit, beim Umzug von der ländlichen Heimatstadt in die Großstadt, auf dem Weg zu einem Date etc. Ich glaube, deshalb löst der Anblick einer Eisenbahn bei den meisten Japanern nostalgische Gefühle aus. Bei mir ist das auf jeden Fall so, mich hat die Romantik und der Charme des Bahnfahrens schon immer fasziniert.

Abgesehen von den technischen Aspekten sind Züge ein Sinnbild des Reisens: ein Moment zwischen Abfahrt und Ankunft – ein Moment dazwischen. Was bedeutet das für die, die im Zug sitzen? Und was bedeutet es für Sie, den Fotografen?

Anders als Flugzeuge, die mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft ziehen, sind Züge an die Erde gebunden, sodass Reisende die vorbeiziehende Landschaft vom Zugfenster aus genießen können, selbst wenn sie in Japans Hochgeschwindigkeitszügen unterwegs sind. Die wechselnde Landschaft, ungewöhnliche Aussichten oder jahreszeitliche Veränderungen tragen zur Freude und zum Reiz des Reiseerlebnisses bei. Das gilt auch für mich, aber gleichzeitig ist das Einfangen solcher Eindrücke ein wichtiges Thema für mich als Fotograf. Ich bin mir immer bewusst, dass Züge Menschen an ihr Ziel bringen, deshalb versuche ich, die Emotionen zu vermitteln, die durch Szenerien und Situationen entstehen, die sich während der Fahrt, sei es im Zug oder vom Zugfenster aus gesehen, ergeben.

Auf den Bildern erscheinen die Züge oft eingebettet in die Umgebung, in wunderbare Landschaften. Was ist Ihrer Meinung nach hinsichtlich der Landschaft der Unterschied zwischen Schiene und Straße, zwischen Zug und Auto?

Mal angenommen, wir haben es mit dem Blick auf ein riesiges Reisfeld zu tun. Führt eine gepflasterte Straße hindurch, nähmen sie die meisten Menschen wahrscheinlich nicht in die Komposition auf. Dagegen würden Eisenbahnschienen zu einem zentralen Element der Komposition werden. Sowohl Straßen als auch Schienen sind von Menschenhand geschaffene Strukturen, aber warum reagieren wir unterschiedlich? Ich glaube, es liegt daran, dass Eisenbahnen uns irgendwie dazu bringen, über Reisen und die Erfahrungen der Menschen, die sie unternommen haben, nachzudenken.

Die japanische Landschaft und ihre Veränderungen im Lauf der Jahreszeiten sind für mich ebenso wichtig wie die Eisenbahn. Eisenbahnen sind ein starkes Thema, sie fallen immer wieder auf, aber wenn man sich nur auf den Zug konzentriert, endet das wahrscheinlich mit einer verschwommenen Landschaft. Deshalb denke ich immer darüber nach, wie man das empfindliche Gleichgewicht eines Zuges und der Landschaft, durch die er fährt, am besten darstellt und gleichzeitig die Stimmung der Jahreszeit einfängt.

Welchen fotografischen Ansatz verfolgen Sie, was ist Ihnen wichtig?

Wie ich schon sagte, fotografiere ich nicht nur Züge. Mein Hauptanliegen ist es, die Eindrücke des Reisenden, die er auf seiner Fahrt gewinnt, einzufangen und zu vermitteln. Um etwa die Landschaft hervorzuheben, kann ich mich auf die Blumen dort konzentrieren, während der Zug oder der Gleiskörper in der Unschärfe verschwimmen. Und manchmal nehme ich den Zug nicht einmal in die Komposition auf – obwohl ich Eisenbahnfotograf bin, schwäche ich manchmal das starke Bild des Zuges ab, um den Charakter des Reiseerlebnisses hervorzuheben.

Thomas Hoepker sagte einmal: „Die Füße sind das wichtigste Werkzeug eines Fotografen.“ Sie sind viel unterwegs, stimmen Sie Hoepker zu? Und, wo suchen und finden Sie Ihre Motive?

Ich teile diese Ansicht im Wesentlichen. Egal, wie geschickt man im Internet oder mit Google Maps potenzielle Standorte sucht – das entspricht nie der Erfahrung, die man hat, wenn man selbst vor Ort ist. Die Kamera sieht und erfasst nur Objekte, die vor ihr erscheinen und für das Auge sichtbar sind; aber mein Motiv ist unsichtbar, und um das in meiner Fotografie auszudrücken, muss ich die Luft spüren und meine fünf Sinne einsetzen, um zu entscheiden, was notwendig ist und was nicht. Für mich geht es also bei der Suche nach dem perfekten Ort darum, zu fühlen und zu entscheiden, wie ich den Reiz der Landschaft am besten vermitteln kann, und nicht darum, von einem bestimmten, beliebten Standpunkt aus zu fotografieren. Mit anderen Worten, ich will nicht Bilder „machen“, sondern das vermitteln, was ich sehe.

Sie haben zuletzt mit der Leica SL2 gearbeitet. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Kamera gemacht, vor allem in Hinsicht auf die Schnelligkeit, die ein zentrales Element Ihrer Arbeit ist?

Ich habe die Leica SL2 bei vielen Aufnahmen eingesetzt, auch für Aufnahmen von Hochgeschwindigkeitszügen. Es war eine sehr befriedigende Erfahrung, vor allem in puncto Schnelligkeit und der außergewöhnlichen Leistung des Autofokus. Mir gefiel auch, dass die Leica SL2 mit der neuesten Technologie ausgestattet ist und die einzigartige Leica Qualität in der Fertigung beibehalten worden ist, ebenso wie das „Feeling“ der legendären Leica M-Kameras. Auch die Qualität des SL-Objektivs hat mich sehr beeindruckt: Die Aufnahmen weisen keinerlei Verzeichnung auf.

Ihre Aufnahmen zeigen auch ein Stück Eisenbahngeschichte. Wir sehen alles, von alten Zügen bis hin zu hypermodernen, während die Natur immer gleichbleibt. Kann man das auch als Essenz Ihres Foto-Essays betrachten?

Während meiner Zeit als Student fuhr ich wochenlang mit der Bahn und nutzte die Semesterferien und den Studentenausweis. Jetzt sind viele Jahre vergangen, und obwohl ich in meinen Fünfzigern stehe, erinnere ich mich lebhaft an die Aufregung, die ich damals empfand. Ich hoffe, dass mehr junge Fotografen den Reiz und die Attraktivität der Eisenbahn und von Zügen entdecken und sie so faszinierend finden wie ich. Ich glaube, dass Bahnreisen die beste Möglichkeit bieten, den Reiz der immer farbenfrohen japanischen Naturlandschaft zu entdecken, die sich im Lauf der Jahreszeiten verändert. Im Grunde ist es das, was ich mit meiner Fotografie vermitteln möchte.

Seiya Nakai wurde 1967 in Tokio geboren. Er beschäftigt sich nicht nur mit Zügen, sondern mit allen Themen rund um die Eisenbahn, die er aus einem einzigartigen Blickwinkel fotografiert. Er hat neue Formate der Eisenbahnfotografie wie One Railway a Day oder Yurutetsu (Entspannende Eisenbahn) eingeführt. Den BlogOne Railway a Day!, in den er jeden Tag ein Eisenbahnfoto einstellt, betreibt er seit 2004. Neben der Werbe- und Zeitschriftenfotografie hält Nakai auch Vorträge, tritt im Fernsehen auf und vertritt Foto Nakai, Inc. Im Jahr 2015 erhielt er den Kodansha Publishing Culture Award, den Photography Award sowie den Photographic Society of Japan Newcomer Award. Zu seinen Büchern und Fotosammlungen gehören Titel wie DSLR Camera and Photo Textbook, Dream Train (Impress Japan), Yurutetsu (Cleo) und Toden Arakawa Line Photo Stroll (Genkosha). Nakais Galerie für Eisenbahnfotografie im Arakawa-Bezirk in Tokio und der Galerie-Shop Yurutetsu wurden im Mai 2018 eröffnet.

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